Nachtgesang
noch nicht einmal weiß, was im Angebot ist!«
Dann lass es mich dir erzählen! Korath war eifrig, konnte sich kaum zurückhalten. Aber dann schaltete er wieder einen Gang zurück, hielt inne und sagte dann: Aber ... wie erkläre ich es dir am besten? Hör mir zu:
Erinnerst du dich daran, dass Malinari sich, während unserer Verbannung in die Eislande, als wir wenig zu essen hatten, von mir nährte? Aber es war nicht bloß ein Schluck! Er trank viel, so viel, dass ich so geschwächt wurde, dass ich fast starb. Aye, so viel nahm mein Herr von mir. Aber während er nahm, gab er auch etwas zurück!
Malinari ist selbst unter Wamphyri etwas Besonderes. Sein Biss ist giftig; nun, jeder Vampirbiss ist giftig, aber seiner sogar noch mehr. Unter normalen Umständen wird ein Mann in einer einzigen Sternseiten-Nacht – oder zwei bis drei Tagen eurer Zeit – rekrutiert und infiziert, woraufhin er zum Vampirknecht seines Herrn wird, ein Knecht für den Lord oder die Lady, die sein Blut verseucht haben. Aber wenn Malinari ordentlich zubiss, handelte es sich um Stunden! Er konnte einen Mann in Stunden umwandeln!
Das lag an seiner Essenz, seiner starken Wamphyri-Essenz. Und mit der Erschaffung war es dasselbe.
»Der Erschaffung?« Das war Jake neu.
Der Erschaffung von Kreaturen, erklärte Korath. Monster! Wesen, die in den Umwandlungs-Bottichen des Hirns Tage und nicht Monate brauchten, um heranzuwachsen! Ich habe Flugkreaturen innerhalb der Zeitspanne eines Tages und einer Nacht aus ihren steinernen Brutstätten fliegen sehen – ein Tag und eine Nacht in Sternseiten-Zeit, versteht sich. Ich sah sogar einen hässlichen Krieger in seinem Bottich schreien, dessen gepanzerte Schuppen in wenig mehr als vier Sonnaufs zu Chitin verhärteten. So wirksam ist die Metamorphose-Essenz Malinaris! Und all seine Männer und Kreaturen tragen etwas von dem Hirn in sich, sind durchtränkt von seinen Fertigkeiten, die denen ihres Herrn ähneln. Verstehst du?
»Sie sind durchtränkt von seinen Fertigkeiten?«, wiederholte Jake die Worte des anderen und versuchte, ihren Sinn zu entschlüsseln. »Willst du damit sagen, dass du Malinaris Begabungen hast?«
Einige von ihnen, aye, bestätigte Korath. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: Du wirst dich auch daran erinnern, weshalb es meinem Herrn so leicht fiel, mit mir zu reden: Denn so wie du die Gedanken-Schilde von Harry Keogh geerbt hast, so habe ich die meines bestialischen Vaters geerbt. Malinari konnte wenige meiner Gedanken beanstanden, weil ich sie vor ihm verstecken konnte. Das passte uns beiden: Dem Hirn, weil er, obwohl er von Natur aus misstrauisch ist, einen starken ersten Leutnant brauchte; und mir, weil selbst der loyalste und gehorsamste aller Knechte vielleicht gelegentlich den einen oder anderen Groll gegenüber seinem Gebieter hegt ...
»Oder gelegentlich auch einen nicht zu unterschätzenden Groll von größerem Ausmaß?«, erkundigte sich Jake.
Er spürte, wie Korath die Achseln zuckte. In meinem Fall nicht so sehr Groll als vielmehr Ehrgeiz. Das war es: Ich hegte Ehrgeiz und wartete auf eine Gelegenheit. Denn damals in den Eislanden war Malinari zu weit gegangen. Oh, er hatte sich an mir geweidet ... aber was er zurückgab – wenn auch unfreiwillig, denn sein Hunger machte ihn unvorsichtig –, war bald mehr, als er gegeben hatte! Von da an wusste ich, dass ich anders war. Ich fühlte die Larve eines Egels in mir heranwachsen, aber ich wollte die Tatsache nicht preisgeben. Ich konnte nicht zugeben, dass ich bald ... Wamphyyyrrriii ... sein würde!
Der in Koraths Schrei mitschwingende Schmerz – die schreckliche Sehnsucht – erschreckte Jake fast zu Tode. Wie eine Schaufel in kalter Asche oder Kreide auf einer neuen Tafel, kratzte er an seinen Nerven und brachte seine Kopfhaut zum Kribbeln. Und er brachte ihm eine neue Erkenntnis, das bestimmte Wissen, dass die Kreatur, mit der er es hier zu tun hatte, bei Weitem nicht einfach oder unkompliziert war. Tot war sie, ja, aber das hatte sie beim besten Willen nicht akzeptiert; sie widersetzte sich dem Tod mit jeder Faser ihres längst verwesten Körpers und klammerte sich mit derselben Beharrlichkeit ans Leben, an jede Art von Leben, an ihr Leben.
»Ich glaube ... ich glaube, es wird Zeit, dass du verschwindest!«, befahl Jake mit bebender Stimme, als das Echo von Koraths gequältem Schrei einen Trommelwirbel in seinem fast metaphysischen Geist entfachte. »Du oder ich, einer von uns beiden muss gehen.«
Aye, geh, wenn
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