Nachtgesang
nicht.«
Im Stillen dachte sie: Verdammt, Ben Trask! Ich weiß, dass es dein Job ist, aber es bringt mich um! Zugleich wusste sie, dass sie sich glücklich schätzen konnte, dass sie nicht tatsächlich mit Trask sprach!
Aber trotzdem (versuchte sie ihren Verrat zu rechtfertigen) war das, was sie Jake gesagt hatte, nur eine halbe Lüge oder schlimmstenfalls eine Notlüge. Denn der wirkliche Grund dafür, ihn zu meiden, war, dass sie wusste, dass sie ihn früher oder später an den Namen, Korath, erinnern musste.
Es wäre schließlich nur fair, denn Jake hatte dem so viel Nachdruck verliehen, dass es immerhin für alle wichtig sein konnte. Aber nun hatte sie die Dinge verkompliziert und sich zu einem noch größeren Lügner gemacht. Denn sobald sie den Namen Jake gegenüber erwähnte und er sich erinnerte, würde er wissen, dass sie doch da gewesen war und in seinem Geist herumgeschnüffelt hatte wie ein Dieb!
Am liebsten hätte sie es auf der Stelle getan, wäre damit herausgeplatzt und hätte die Konsequenzen getragen ... nur, dass genau in dem Moment Ben Trask an der Haustür erschien und nach ihr rief: »Liz? Und sind Sie das dort, Jake? Zeit für das Meeting. Kommt und nehmt eure Befehle entgegen.«
Als sie auf das Haus zuging, fühlte sie plötzlich einen Hass gegen das alles aufsteigen. Aber besonders hasste sie ihr seltsames Talent, ihre Telepathie. Und mehr als je zuvor wurde ihr klar, weshalb die meisten ESPer ihr Talent als Fluch ansahen. Wieder und wieder drehten sich ihre Gedanken darum, dass sie sich selbst verachtete, aber sie klangen wie eine von Jake ausgesprochene Anklage: »Du schnüffelst in meinem Geist wie ein Dieb! – wie ein Dieb! – wie ein Dieb!«
Und sie hasste es, ja. Denn Tatsache war, dass sie ihn viel zu gern hatte. Und zwar nicht nur psychisch ...
Dann kam der Montag.
Bis zum Mittag war ein Beobachtungsposten auf der einzigen Zufahrtsstraße, die sich den Berg hoch nach Xanadu schlängelte, aufgestellt worden. An einem von Bäumen verdeckten Rastplatz sah es aus, als ob eine Gruppe Picknicker die Aussicht und Bergluft genießen würde. Ein Tisch war aufgestellt worden und ein kleiner Grill, der auf einem Baumstumpf stand, schickte Rauchwolken in die Luft. Fleischstückchen brutzelten auf Spießen und auf dem Tisch befanden sich eine Kamera und ein Sixpack Bier. Zwei der Dosen waren bereits geöffnet, eine davon lag quer. Es war eine sehr »lockere« Atmosphäre.
Drei Männer in luftiger Sommerkleidung schmissen den Laden. Einer von ihnen saß im Auto, dessen Scheiben heruntergelassen waren, und hörte offenbar Radio. Tatsächlich benutzte er ein Funkgerät oder würde es tun, sobald es nötig war. Ein anderer Soldat saß »lässig« am Tisch und sah auf die Straße, die im Zick-Zack-Kurs in den bewaldeten Höhen verschwand. Er trug ein Fernglas um den Hals, aber benutzte es kaum. Das dritte Mitglied des Teams hielt eine Gitarre. Der Mann saß mit einem breitkrempigen Hut, der sein Gesicht noch zusätzlich verdeckte, im Schatten einer Kiefer auf einem Stuhl und entlockte dem Instrument, das für gute Musik durchaus einsetzbar war, einige klägliche, unmelodische Töne. Er war der »Kopf« des Teams und der Gitarrenkorpus enthielt eine tödliche 9-mm-Maschinenpistole.
Bisher hatte der Mann im Auto nur ein Rufzeichen gesendet und nur einmal einen Lagebericht abgegeben, nämlich, indem er kurz und bündig mitteilte, dass sie sich »an Ort und Stelle ...« befanden.
Ebenfalls zur Mittagszeit hatten Liz’ Stabsfeldwebel »Red« Bygraves und der Techniker Jimmy Harvey sich im Pförtnerhaus am Eingang von Xanadu »Tagestickets« gekauft. Bis 1 Uhr nachmittags hatten sie sich »den Laden« ganz vorsichtig angesehen und nahmen nun an gegenüberliegenden Seiten des Hauptpools ein Sonnenbad. Beide Männer hatten eine Handvoll Morgenzeitungen mitgenommen, deren Schlagzeilen auf der ersten Seite sich um die Ausbreitung der asiatischen Seuche drehten; diese hatten sie an strategisch günstigen Punkten abgelegt, wo sie mit großer Wahrscheinlichkeit aufgenommen und gelesen werden würden. Natürlich hatte das Resort auch seinen eigenen Zeitschriftenstand; Trasks Zeitungs-Trick war als Zusatz-Stimulus gedacht, der greifen sollte, sobald sein Evakuierungsplan in Gang gebracht war.
Der Plan: Er war unheimlich simpel.
Um Punkt 1 Uhr 15 stand Bygraves auf und spazierte zu Harveys Poolseite hinüber. Er stieg dabei vorsichtig über die vielen braun gebrannten Körper, die dort die Sonne auf
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