Nachtgesang
Kassierern leerte. Denn wenn diejenigen, die für die Geldausgabe zuständig waren, sich verabschiedeten, konnte man sicher sein, dass etwas sich ereignete.
Vor einer halben Stunde hatte Santeson, nachdem er von den sturen Aufpassern erneut von Milans Allerheiligstem zurückgewiesen worden war, den fast leeren Pleasure Dome verlassen und das eigentliche Resort betreten. Zu dem Zeitpunkt waren die Pools verlassen und die letzten Nachzügler passierten mit ihren Autos das Tor des Pförtners. Der Privatdetektiv war nicht auf den Kopf gefallen; er hatte schon lange herausgefunden, was das vermeintliche Problem war, aber er hatte auch eine Verbindung hergestellt zwischen dem und seiner Begegnung auf der Zufahrtsstraße nach Xanadu. Es war einfach ein zu großer Zufall. Wie kam es also, dass Milan – der definitiv immer ein Auge auf unfreundliche Besucher und verdächtige Aktivitäten hatte, solange ihn Santeson kannte – wie kam es, dass er nicht auf war und die Dinge selbst in Augenschein nahm?
Oder wusste er einfach nicht, dass es ein Problem gab ...?
Die Schwierigkeit mit Milans Gorillas war, dass sie nicht über genügend graue Zellen verfügten, um zu erkennen, dass sie zumindest etwas tun sollten, und wenn es nur das war, dass sie ihren zwielichtigen Arbeitgeber über das informierten, was hier vor sich ging. Das war zumindest Santesons Meinung, die sich umso mehr verhärtete, als er die Dummheit und unerschütterliche Sturheit der beiden sah.
Normalerweise hätte er Milan per Telefon kontaktieren können; der lichtempfindliche, nachtaktive Herr des Resorts nahm für gewöhnlich Anrufe in den frühen Abendstunden zwischen 4 Uhr 30 oder 5 Uhr abends bis zu den frühen Morgenstunden um 9 Uhr morgens entgegen, aber nicht heute Abend. Als Santeson die Dringlichkeit seiner Unterredung mit Milan bei dessen Wachhunden betonen wollte – den Fakt, dass er ihn sehen musste, dass seine Information von äußerster Wichtigkeit war – schien es ihm, als würden sie sich nicht im Geringsten dafür interessieren! Er war lediglich über Mr. Milans Anweisungen informiert worden: dass er unter keinen Umständen vor 6 Uhr 30 gestört werden wollte. Und damit war die Sache erledigt. Aber jetzt, da es fast 6 Uhr und das Resort bereits von Dunkelheit umhüllt war und sich unter dem raschen Einbruch der Dämmerung einer tropischen Nacht im Wendekreis des Steinbocks abkühlte, war Santeson entschlossen, sich durchzusetzen.
Zuletzt hatte er vor 10 Minuten versucht, Milan von einer verlassenen Telefonzelle bei der Einschienenbahnstation am Kasino-Eingang aus anzurufen ... aber das Telefon hatte ihm nur entnervend entgegengetutet, denn zu dem Zeitpunkt war kein Rezeptionist mehr da, der den Anruf durchstellen konnte! Jetzt war Santeson sehr ärgerlich, denn die Minuten vergingen für ihn, der er es eilig hatte, quälend langsam. Die Frustration darüber, dass er wusste, dass etwas definitiv und gefährlich aus dem Lot geraten war und es nichts gab, was er dagegen tun konnte, verstärkte sich immer mehr.
Garth Santeson hatte sich bereits seine eigenen Gedanken über das gemacht, was gerade passierte oder noch passieren würde; es schien für ihn offensichtlich, dass der lange Arm des Gesetzes nach Milan griff und sein überaus sinistrer Arbeitgeber kurz davor stand, eingebuchtet zu werden (wahrscheinlich, weil er Kasino-Gewinne abschöpfte); somit würde Santesons monatlicher und mehr als angemessener Gehaltsscheck gleich mit verschwinden. Daraus folgte, dass, je länger er dem Boss Ärger vom Leib hielt, die Chancen besser waren, dass er sein nächstes Gehalt, welches in ein paar Tagen fällig war, bekam. Das wiederum bedeutete, dass er mit Milan über die Leute sprechen musste, die er auf der Zufahrtsstraße gesehen hatte und von denen er mindestens zwei als diejenigen wiedererkannt hatte, die vor ein paar Tagen in diesen paramilitärischen Helikoptern mit von der Partie gewesen waren.
Santeson wusste, wo Milan war – seinen ungefähren Aufenthaltsort zumindest –, aber er konnte nicht zu ihm durchdringen. In einer gewöhnlichen Nacht konnte man Milan ein oder zwei Stunden lang im Kasino begegnen, aber er bevorzugte die Privatsphäre seiner Räumlichkeiten in der mit Solarpaneelen bedeckten Blase auf der Spitze der Kuppel (die er zu seltenen Gelegenheiten auch während der Tageszeit benutzte). Santeson besaß einen speziellen Aufzugschlüssel, den ihm Milan gegeben hatte, der ihn zu einem der obersten Räume befördern würde,
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