Nachtgesang
je benötigen konnte.
»Oh, Gott sei Dank!«, schrie die Frau und warf sich zu Füßen eines der Soldaten. »Helfen Sie mir! Bitte helfen Sie mir! Er hat mich vergewaltigt!« Eine Lüge, die ihr natürlich locker über die Lippen kam.
Zur gleichen Zeit hob der nackte Mann den Arm, um mit seiner kurzläufigen Druckluftharpune zu zielen und zu feuern. Die Speerspitze war ein Dreizack mit 10-Zentimeter-Zacken; alle drei bohrten sich dem überraschten Soldaten in die Kehle. Er gurgelte und ergriff mit einer Hand den kurzen Speer, der in seinem Hals steckte und aus dem purpurrote Flüssigkeit entwich. Er fiel nach hinten und jagte dabei einen Feuerstoß nutzlos in die Luft.
Der andere Soldat hatte sich fast instinktiv gebückt, um die Frau hochzuheben. Aber während er dabei war, sah er, dass sein Kollege schoss und zur gleichen Zeit das wilde, gelbe Feuer in den Augen des nackten Mannes, der behände in aufrechte Position glitt und seine Waffe zurückzog, um sie als Knüppel benutzen zu können.
Es brauchte kein weiteres Alarmsignal. Der Soldat fluchte, ließ die nackte Frau los und eröffnete das Feuer, das den Vampir mit einer Salve Explosivgeschosse von den Füßen hob, ihn in die Luft riss und nach hinten in den Busch schleuderte. Dort hing er in einem Gewirr aus zerdrücktem Blattwerk, bis die Äste nachgaben und er auf den Boden fiel. Als er dort saß – sein herausquellendes Gedärm haltend – und sein untotes Leid herauswimmerte, murmelte der Unteroffizier noch einen Fluch und schoss ihm eine Kugel direkt zwischen die Augen, woraufhin der Inhalt des untoten Hirns nach allen Seiten spritzte und der Busch über ihm zusammenbrach.
Der zu Fall gebrachte Mann hatte in der Zwischenzeit aufgehört, sich zu winden und an dem Speer in seiner Kehle zu ziehen; er lag reglos auf dem Boden, war vor Schreck gestorben oder an seinem eigenen Blut erstickt.
Und die Frau hatte sich in die Dunkelheit der Nacht geflüchtet ...
Julie Lennox floh, schluchzte und rang nach Luft – ihre zerschundenen Füße hinterließen eine Blutspur auf den oft messerscharfen Steinen. Sie schaffte es irgendwie, das zweite Team der Küstenwache zu umgehen und rannte stattdessen in Jake und Lardis hinein. Mit ihren in der Nacht messerscharfen Augen, den Augen eines Vampirs, sah sie die Männer, bevor sie die Vampirin sahen: einen alten Mann und seinen jüngeren Kollegen, die im Garten herumschlichen und sich dem Haus näherten. Sie erinnerte sich an einen guten Rat:
»Wenn sie kommen, werden sie kommen«, (Das hatte Martin Trennier Jethro Manchester und einer kleinen Gruppe Angehöriger gerade vor ungefähr einer Stunde gesagt), »Es gibt kein Erbarmen. Sie werden kommen, um euch zu töten. Auch wenn ihr es jetzt noch nicht glauben könnt, ihr wollt nicht, dass sie das tun! Denn ihr habt das Blut eines Großen Vampirs in euch und auf seine eigene Art lebt es auch. Es will leben und es wird nicht zulassen, dass ihr Selbstmord begeht – was bedeutet, dass ihr euch nicht einfach diesen Männern ergeben könnt. Also werdet ihr kämpfen. Je mehr ihr tötet, desto länger werdet ihr leben.«
Mit diesen Worten hatte er eine Handvoll Patronen tief in das Magazin einer hässlichen Pumpgun gerammt, lud sie durch und fuhr dann fort:
»Nun, ich weiß, dass einige von euch noch den guten Kampf kämpfen, aber Fakt ist, dass wir gegen unsere Feinde stark sein können – stärker werden durch das Blut unserer Feinde – und je stärker wir werden, desto besser sind unsere Überlebenschancen. Das wars. Jetzt wisst ihr, was ihr tun müsst. Ich habe nichts weiter zu sagen, außer, dass ich vorhabe, zu überleben. Also macht schon, kommt in die Gänge. Bereitet euch mit all dem Mut und all der Gerissenheit, die euch euer Vampirblut gegeben hat, vor, bewaffnet euch mit allen Waffen, die ihr finden könnt und wartet. So einfach ist es.«
Aber eigentlich war es überhaupt nicht einfach. Außer vielleicht für Martin Trennier, einen der Ersten, die Aristoteles Milan sich genommen hatte, weshalb er ihm gänzlich verfallen war, aber das galt nicht für Julie; nicht jetzt, da Alan Manchester, Jethros Sohn, tot war. Julie und Alan ... wie sehr sie sich geliebt hatten und wie hart sie um die Bewahrung ihrer Menschlichkeit gekämpft hatten. Aber ganz umsonst.
Alan hatte zuerst nachgegeben und jetzt war er tot, für immer von ihr gegangen, er war ihr genommen worden und diese gnadenlosen Angreifer trugen die Schuld daran – oder? Tief in ihrem Herzen wusste sie,
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