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Nachtgespenster

Nachtgespenster

Titel: Nachtgespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Mann mit dem eigenen Vater zu tun zu haben. So etwas konnte und wollte sie nicht glauben.
    Dabei waren sich die beiden ähnlich. Beide zählten nicht mehr zu den Menschen. Beide waren Geschöpfe der Nacht. Aber nur einer blieb es, denn am Morgen, wenn die Sonne sich im Osten erhob, mußte sich der Earl of La Monte in diese Tiefe der Burgverliese zurückziehen und abwarten, bis der Tag vorbei war. Doreen schaute ihn an.
    Auch in dieser Nacht hatte er sich nicht verändert. Wie immer trug er sein weißes Hemd mit der schwarzen, perfekt gebundenen Fliege. Der dunkle Anzug paßte ebenfalls dazu. Er verlieh dieser Gestalt eine morbide Eleganz.
    Auf einen mit rotem Futter bestückten Umhang hatte er ebenfalls nicht verzichtet. Er brauchte ihn einfach als Schutz, um sich vor irgendwelchen Strahlen abzudecken. Dann riß er ihn hoch und hielt ihn vor sein Gesicht.
    Er sah aus wie aus gelblichem Stein gehauen. Eine tatsächlich gelbe, ungesunde Farbe. Das Zeichen von Verwelkung bei ihm, der Beweis für den Verfall, der irgendwann einmal eintreten würde, denn ewig konnte er nicht mehr so leben. Er war das perfekte Nachtgespenst und zugleich ein Verfluchter.
    Sein Gesicht wirkte flach. Nichts darin dominierte. Auch nicht die Nase, die normal gewachsen war. Vielleicht wuchs bei ihm eine höhere Unterlippe als bei anderen Vampiren oder Menschen. Möglicherweise war auch das Kinn zu flach, das allerdings waren nur mehr Spekulationen. Andere Dinge zählten mehr.
    Zum Beispiel die Augen, in denen tatsächlich noch das alte Feuer loderte. Im Gegensatz zu der Haut hatten sie ihre Spannkraft nicht verloren.
    Doreen wußte nicht, wie sie diese Augen hätte beschreiben sollen. Es fehlten ihr einfach die Worte. Sie waren so düster. Sie waren gefüllt mit einem dicken Schlamm, der sich sogar bewegen konnte, wenn es der Vampir wollte. Sie schauten stets nach vorn, und doch kam es Doreen so vor, als würden sie in die Tiefe blicken, um die beiden Eckzähne sehen zu können, die aus der zurückgeschobenen Oberlippe ragten wie zwei Insignien der Macht. So lächelte er.
    Ein teuflisches, ein vampirhaftes Lächeln. Wissend und grausam zugleich.
    Die Frau konnte nicht reden. Etwas schnürte ihre Kehle zu. Sie hätte auch nicht gewußt, was sie der Gestalt sagen sollte, die sie als Vater ansehen mußte. Es war alles so anders geworden. Ihre Welt hatte sich auf den Kopf gestellt. In der Nacht lebte sie als Blutsaugerin, am Tag als normaler Mensch. Das wußte er, und das nutzte der Earl of La Monte eiskalt aus.
    Er hatte bisher noch kein Wort gesagt. Sein Schweigen war für die Frau eine Belastung. Auch als Vampir bekam sie Angst. Die Furcht war nicht mit der zu vergleichen, die sie vor dem Kreuz empfunden hatte. Dieser Anblick hatte ihr einen Teil genommen. Die Stärke war nach wie vor bei ihr, nur traute sich Doreen nicht, darauf zu bauen. Ihr Vater war viel stärker und mächtiger.
    Und doch raffte sie sich dazu auf, ihn anzusprechen. »Du… du… bist gekommen?«
    »Wie du siehst…« Seine Antwort hatte Doreen klar und deutlich verstehen können, obwohl sie nur flüsternd gegeben worden war. »Ich wollte zu dir.«
    »Ja, das sehe ich. Mutter…«
    »Vergiß sie.« Der Earl ließ seine Tochter nicht ausreden. »Sie ist tot, sie war Mittel zum Zweck. Genau das bist du ebenfalls, kleine Doreen.«
    Schon öfter hatte sie mit ihrem Vater gesprochen, obwohl sie davon angewidert worden war. In dieser Nacht überkam sie das Gefühl, daß der Earl of La Monte nur erschienen war, um mit ihr eine Grundsatzdiskussion zu führen. Wichtige Zeichen setzen, um so für sich eine Basis für die Zukunft zu schaffen.
    »Was bin ich für dich?«
    Er streckte den rechten Arm aus und bewegte die Hand, als wollte er nach ihr greifen. »Ja, du bist Mittel zum Zweck, auch wenn ich mich wiederhole. Ich habe dir eine Chance gegeben. Nicht nur eine, mehrere. Nur hast du diese Möglichkeit nicht wahrgenommen. Du bist hierher gekommen oder zurückgekehrt, ohne meinen Auftrag erfüllt zu haben. Du weißt, was ich meine?«
    Doreen hob die Schultern.
    Das gefiel ihrem Vater nicht. Er zog seinen Arm zurück und stampfte wütend mit dem rechten Fuß auf. »Dann werde ich es dir sagen. Du bist durch die Nacht gewandert allein mit dem Auftrag, mir Nahrung zu bringen. Einen Menschen. Ich brauche ihn. Ich kann diese Burg nicht verlassen. Der Hunger nach Blut wird immer schlimmer. Die Nachtgespenster quälen mich ebenfalls. Sie werden hier wieder zum Reigen erscheinen und sich an

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