Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtgespenster

Nachtgespenster

Titel: Nachtgespenster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
unter der Qual zu leiden habe. Ich habe noch keinen gefunden, Mutter, der mir hätte den Weg weisen können. Ich habe versucht, ich habe auch schon jemand angesprochen. Er wollte es nicht. Er wollte mich nicht erlösen…« Ihre Stimme erstickte. Es sah aus, als stünde Doreen dicht vor einem Zusammenbruch.
    Allerdings war sie auch bereit, die angebliche Antwort der Mutter zu hören. Sie zog die Nase hoch, verzerrte den Mund. Die beiden Vampirzähne paßten nicht mehr zu ihr. Hier stand eine junge Frau weinend am Sarg der geliebten Mutter und bestimmt keine blutsaugende Bestie, die auf der Suche nach irgendwelchen Opfern war.
    »Ja, Mutter, du hast ja recht. Ich gebe nicht auf. Ich will ja bei dir sein. Ich kenne einen Mann, der all dies könnte. Er hat sich geweigert. Er will einfach nicht. Es ist kaum zu fassen, Mutter, aber ich muß mich damit abfinden. Trotzdem gebe ich nicht auf. Das habe ich dir hoch und heilig versprochen. Wir müssen doch wieder zusammenkommen, und das werden wir…«
    Ihr Redefluß stoppte. Doreen rieb ihre Augen. Dabei blickte sie weiterhin nach unten. »Was hast du gefragt? Wie ich mit Vater zurechtkomme? O nein, bitte, frag das nicht. Ich will es nicht. Du… du… quälst mich damit, Mutter.« Sie rieb wieder ihre Augen mit dem Handrücken. »Aber gut, wenn du es willst, dann tue ich dir den Gefallen. Ich mag ihn noch immer nicht. Ich hasse ihn. Ich habe Angst vor ihm, aber ich habe ihn hier nicht gesehen, verstehst du? Er ist auch nicht gekommen, um mich zu begrüßen. Ja, er ist da, er ist ja immer hier. War er denn in der Zwischenzeit auch bei dir?«
    Abermals schwieg Doreen einige Sekunden, um dann wieder für ihre Mutter zu sprechen. »Nein? War er nicht? Das ist schlimm. Er hat dich vergessen. Aber das traue ich ihm zu. Ich traue ihm wirklich alles zu. Er ist so schrecklich. Du hast Angst vor ihm, so wie ich große Angst vor ihm habe. Er ist wie der Tod. Er bringt das Unheil über uns alle. Doch ich gebe nicht auf, Mutter. Ich kämpfe weiter. So lange, bis ich mit dir vereint bin.«
    Wieder schwieg sie. Der Schein der drei Kerzen streifte dabei ihr Gesicht, malte es an und hinterließ auf der Haut ein Zittern aus Licht und Schatten. Es war still innerhalb dieser großen Gruft. Eine beklemmende Ruhe. In Doreens Gesicht zuckten die Mundwinkel. Sie deutete so etwas wie ein Lächeln an und nickte.
    »Richtig, Mutter, du hast recht. Ja, du hast völlig recht. Ich bin deiner Meinung. Ich weiß, daß alles gut wird. Ich werde darum kämpfen, Mutter, das verspreche ich.«
    Sie fügte noch ein Nicken hinzu. Für Doreen war der Besuch in der Gruft beendet. Sie bückte sich, um den Kerzenleuchter anheben zu können, verharrte jedoch mitten in der Bewegung.
    Mit ihrem feinen Gehör hatte sie ein Geräusch vernommen. Hinter ihr, noch an der Treppe.
    Die Tür…
    Plötzlich war wieder das Zittern da. Ihre Hände bewegten sich, der Mund ebenfalls, und die Zähne schlugen zusammen. Doreen drehte sich erst um, als sie die schleichenden Schritte hinter sich hörte.
    Mit dem Leuchter in der Hand fuhr sie herum.
    Da stand er.
    Groß, düster und mächtig.
    Der Earl of La Monte - Doreens Vater!
    ***
    Die Frau hatte Mühe, einen Schrei zu unterdrücken. Zu plötzlich war er gekommen. Mit seinem Erscheinen hätte sie nie und nimmer gerechnet. Er war so mächtig. Er war so alles beherrschend. Er war wie ein lebendig gewordenes Gemälde, das gekommen war, um diese Gruft zu beherrschen.
    Zum erstenmal war er hier erschienen. Bisher war Doreen immer mit der toten Mutter allein gewesen. Hier hatte sie vor dem Vater fliehen können und dieses schaurige Refugium sogar gemocht.
    Alles war anders geworden. Es gab keine normalen Wege mehr. Er hatte sich entschlossen, den gleichen Weg zu nehmen, und er blieb auch nicht mehr vor der ersten Stufe stehen.
    Der Earl of La Monte setzte sich mit sehr langsamen und zugleich geschmeidigen Schritten in Bewegung. Ein wahrgewordener Alptraum. Eine Gestalt, die Bodenkontakt bekommen hatte, aber so gut wie nicht zu hören war. Doreen kam es vor, als schwebte er über den Boden hinweg. Er kümmerte sich nicht um die Unebenheiten. Er war plötzlich zum Herrscher dieser Gruft geworden. Doreen bekam die kalte Strömung zu spüren, die ihr entgegenwehte.
    Sie hatte es nicht mehr geschafft, den Kerzenständer anzuheben.
    Wie angewachsen stand sie auf dem Fleck, die Augen weit geöffnet.
    Mit jedem Schritt, den diese Gestalt auf sie zukam, verflog immer mehr das Gefühl, es bei diesem

Weitere Kostenlose Bücher