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Nachtgieger

Nachtgieger

Titel: Nachtgieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Maria Dries
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Ahorntal, ein schmales, von schroffen Felsen gesäumtes Tal, und an der Stelle, wo es in das liebliche Ailsbachtal überging, gaben die hohen Fichten plötzlich den Blick auf die trutzige Burg Rabenstein frei, die sich rechterhand aus dem dichten Mischwald auf einer Anhöhe über einem mächtigen, senkrechten Felsgestein erhob.
    Mandy war entzückt.
    „Die Burg ist etwa achthundert Jahre alt“, erklärte der Kommissar. „Sie verfügt über prächtige Prunk-, Waffen- und Rittersäle, die ganzjährig besichtigt werden können. Interessant ist auch die Falknerei mit über achtzig der größten und schönsten Greifvogelarten und den beeindruckenden Flugschauen. Als Kind war ich einmal mit meinen Eltern hier. Da ist ein riesiger Geier knapp über meinen Kopf hinweggesegelt und dann neben mir auf die Bank gehüpft. Ich bin so erschrocken, dass mich nur noch ein großes Eis beruhigen konnte.“
    Sieglinde kicherte.
    Bald durchquerten sie Behringersmühle und bogen im Zentrum rechts ab Richtung Schottersmühle, einer alten, ehemaligen Getreidemühle, die an der Wiesent lag. Sie hatten ihr Ziel beinahe erreicht. Einige hundert Meter weiter, wo die Wiesent einen Bogen beschrieb, befand sich ein Wirtshaus, das für seine gute Küche bekannt war. Sie wählten einen Platz an der hinteren, grob verputzten, mit Balken durchzogenen Wand, von wo aus sie einen schönen Blick auf den strudelnden Fluss hatten.
    Über allen Tischen waren Kandelaber aus nachgedunkeltem Messing im Mauerwerk befestigt, in denen weiße, brennende Kerzen steckten. Sie fühlten sich ein wenig wie in einem Rittersaal.
    „Wirklich schön hier“, stellte Mandy fest und streckte seufzend ihre langen Beine unter dem festlich eingedeckten Tisch aus. Die Eindrücke des Altenheimbesuches gingen ihr jedoch noch im Kopf herum.
    Sieglinde Silberhorn hatte ihre Uniformjacke ausgezogen und den Knoten der Krawatte etwas gelockert. Sie studierten die Speisekarte.
    „Was kannst du uns empfehlen, Gerd?“, fragte Mandy.
    „Eine Spezialität des Hauses ist die gefüllte Bauerntaube. Auch die Brotzeitplatten sind besonders lecker, hier gibt es sogar Zwetschgenbaames.“
    „Was ist denn das? Davon habe ich noch nie etwas gehört.“ Die Kommissarin war neugierig.
    „Das ist luftgetrockneter, geräucherter Rinderschinken, in hauchdünne Scheiben geschnitten, wirklich köstlich. Er ist dann perfekt, wenn sein Fleisch dem inneren Holz des Zwetschgenbaumes ähnelt, deshalb auch der Name.“
    Mandy und ihr Kollege entschieden sich für die Bauerntaube, Sieglinde bestellte Schäuferle, zusätzlich zum Beilagensalat mit einer Portion Sauerkraut. Nach den aufregenden Ereignissen benötigte sie dringend ein gehaltvolles Mahl.
    Sie prosteten sich mit alkoholfreiem Bier zu und besprachen die bisherigen Resultate.
    „Bist du sicher, Sieglinde, dass die Besitzerin des Kiosks Kati Simmerlein erkannt hat?“, erkundigte sich der Kommissar.
    „Ich hatte schon den Eindruck, ja“, bestätigte sie.
    „Dann ist sie also allem Anschein nach am vergangenen Samstagvormittag mit dem Zug nach Bayreuth gefahren.“
    „Und wurde am Bahnhof von ihrem Mörder abgeholt, sie waren dort verabredet“, fuhr Mandy fort. „Ich gehe inzwischen eher von einem Einzeltäter aus. Wo hat sich das Mädchen bis zu ihrem Tod aufgehalten? Warum musste sie auf so grauenhafte Weise sterben?“
    „Wir müssen dringend mit ihrer Freundin Gretchen Kaul sprechen. Womöglich hat sie eine Ahnung, was Kati vorhatte“, überlegte Gerd Förster. „Unsere Computerspezialisten müssen außerdem herausfinden, von welchem Internetanschluss aus der Täter Kontakt zu Kati aufgenommen hat. Und Sieglinde, du überprüfst die Vergangenheit von Kilian Krautwurst. Gibt es da irgendwelche dunklen Stellen? Warum ist er aus dem Schuldienst ausgeschieden? Der ungefähre Todeszeitpunkt steht jetzt fest. Wenn wir verdächtige Personen ermittelt haben, müssen wir deren Alibis überprüfen.“
    Die Polizistin nickte eifrig. Dann wurde sie abgelenkt. Eine freundliche, dralle Bedienung servierte ihre Bestellungen. Vorher hatten sie bereits den „Gruß aus der Küche“ genossen: kleine Griebenfettbrote mit Salz und Pfeffer.
    Mandy probierte ein saftiges Stück von ihrer Taube und war hochzufrieden mit ihrer Wahl. Doch sie machte auch einen grüblerischen Eindruck. Sieglinde biss gerade in die knusprige Schwarte ihres Schäuferles, als die Kommissarin unvermittelt rief: „Jetzt ist es mir wieder eingefallen!“ Alle Köpfe in der

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