Nachtgieger
hindurchzusehen. Plötzlich huschte der Anflug eines Lächelns über sein runzliges Gesicht.
„Ihr wollt mich zum Angeln abholen, habt ihr an die Würmer und Fliegen gedacht?“
Dann sank er zurück und war nicht mehr ansprechbar.
Auf dem Weg nach unten erklärte die fachkundige junge Frau: „Unser Bewohner, Herr Schönleben, leidet an einer fortschreitenden, unaufhaltsamen Demenzerkrankung und versinkt immer mehr in seine eigene Welt. Manchmal jedoch erinnert er sich an sein Leben von früher.“
„Er besitzt keinen PC, oder?“, vergewisserte sich Mandy.
„Er weiß gar nicht, was ein Computer ist.“
Die Kommissare verließen bedrückt und schweigend die vornehme Seniorenresidenz.
„So stelle ich mir meinen wohlverdienten Lebensabend gewiss nicht vor“, meinte Mandy nachdenklich.
„Ich auch nicht“, antwortete ihr Kollege.
„Also doch ein Nickname. Der Täter hat den Namen und die Adresse des alten Herrn benutzt. Es wäre ja auch zu schön gewesen. Holen wir Sieglinde ab und gehen etwas Ordentliches essen. Vielleicht konnte sie etwas herausfinden, das uns weiterbringt.“
Sieglinde Salome Silberhorn hatte sich bereits am vereinbarten Treffpunkt eingefunden. Mächtig stolz auf ihre spektakulären Ermittlungsergebnisse wartete sie voller Ungeduld auf ihre Kollegen.
Sie hatte am Fahrkartenschalter, am Infopoint, an der Gepäckaufbewahrungsstelle und auch sonst überall das Foto von Kati Simmerlein vorgezeigt, doch alle Befragten schüttelten den Kopf. Niemand hatte die junge Frau gesehen.
Die Polizistin wollte schon resigniert aufgeben. Schließlich konnte das Verbrechensopfer überall hingefahren sein, oder sie war in der Nähe ihres Wohnortes abgeholt worden.
Auf einem Bahnsteig entdeckte Sieglinde einen Kiosk und beschloss, einen Milchkaffee zu trinken. Sie hatte noch einige Minuten Zeit. Eine ältere Frau, die eine Zigarette rauchte und gelangweilt in einer Zeitschrift blätterte, nahm ihre Bestellung auf und reichte ihr über die Theke einen Becher mit dampfendem Kaffee. Sieglinde zeigte ihr das Bild und wollte es gerade wieder in ihre Tasche stecken, als die Frau sie bat, es noch einmal sehen zu dürfen. Sie betrachtete die Fotografie aufmerksam, dann stellte sie fest: „Die junge Frau war hier, ich kann mich erinnern, sie gesehen zu haben. Sie verlangte Sahne für ihren Kaffee, ich habe aber nur Milch.“
„Wissen Sie noch, wann das war?“, fragte Sieglinde aufgeregt.
Die Kioskbesitzerin dachte nach. „Jetzt fällt es mir wieder ein, es war am vergangenen Samstagvormittag, so gegen elf Uhr. Ich hatte beschlossen, den Verkaufsstand früher zu schließen, weil ich so stark erkältet war.“
„Hatte die Frau Gepäck bei sich?“, wollte Sieglinde wissen.
„Ich glaube, sie trug einen großen Reiserucksack oder so eine Art Umhängetasche, aber daran kann ich mich nicht mehr so genau erinnern. Ich hatte jedoch den Eindruck, sie würde auf jemanden warten. Sie blickte sich ständig unruhig um und sah ungeduldig auf ihre Uhr. Ich dachte noch, wer lässt denn eine so hübsche junge Dame so lange warten?“
„Haben Sie gesehen, ob sie jemand abholte?“
„Ich bin mir nicht sicher. Die Kaffeemaschine musste noch gereinigt werden, und als ich wieder auf den Bahnsteig blickte, war sie weg. Ich meine, ich sah sie in der Menge verschwinden. Mit einem großen Mann an ihrer Seite.“
„Können Sie ihn beschreiben?“
„Nein, die beiden waren schon viel zu weit weg, ich kann auch nicht beschwören, dass es sich tatsächlich um diese Frau handelte. Warum wollen Sie das eigentlich alles wissen, handelt es sich um ein Verbrechen?“ Die von Falten umgebenen, müden Augen der Frau leuchteten plötzlich vor Sensationsgier.
Die Polizistin verneinte: „Reine Routinebefragung, vielen Dank für Ihre Hilfe.“
Sie trank den letzten Schluck von ihrem Kaffee und machte sich voller Begeisterung über diesen Fortschritt bei den Ermittlungen auf den Weg.
Gerd Förster verließ Bayreuth Richtung Westen, fuhr durch Donndorf mit seinem eleganten Schloss Fantaisie und bog schließlich links ab Richtung Fränkische Schweiz.
„Wir nehmen jetzt eine sehr beliebte Touristenstrecke, eine Sightseeingtour gewissermaßen, dann lade ich euch in eine rustikale Gastwirtschaft ein, in der hervorragende fränkische Speisen zubereitet werden. Ich glaube, das haben wir uns jetzt verdient, besonders Sieglinde.“
Diese strahlte und freute sich über die Anerkennung ihrer Arbeit.
Der Weg führte sie durch das
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