Nachtgieger
noch Zeit für eine Erfrischung im Biergarten“, schlug Gerd Förster vor. Unter Kastanienbäumen, umgeben von Schwimmern, Wanderern und Fahrradfahrern, folgten ihre Blicke den Kajaks, die ruhig über die smaragdgrüne Wiesent glitten.
Die Damen-Nordic-Walking-Gruppe hatte die Strapazen der neuen, längeren Strecke soeben hinter sich gebracht und fand sich nun in Manuela Hennebergers Konditorei zu einer kleinen Erfrischung ein. Die Sportlerinnen versammelten sich in einer Sitzecke, die der Lieblingsplatz aller Gäste und zum Glück unbesetzt war. Im Unterschied zu der ansonsten modernen Einrichtung mit klaren Linien bestand die Ecke aus zwei kirschroten Biedermeiersofas, deren Ränder mit kordelartigen Goldbordüren gesäumt waren. Zwei dazu passende, ebenso bequeme Sessel befanden sich auf der anderen Seite des runden, glänzend lackierten Holztisches. Die erschöpften, verschwitzten Damen ließen sich erleichtert in den weichen Plüsch fallen. Sie waren durstig und brauchten dringend eine Verschnaufpause. Mathilde hatte sie nur mit Mühe davon abgebracht, bereits in Haidhof in der Gaststätte einzukehren. „Erst ein großes Glas Mineralwasser für alle“, bestimmte sie.
Die Konditoreibesitzerin legte einen Hochglanzkatalog mit einem umfangreichen Sortiment an schicker Landhausmode und Dirndlkleidern in allen Farben und unterschiedlichen Schnitten auf den Tisch. Danach schenkte sie eisgekühlten Prosecco in hohe Sektgläser ein.
Die Sportgruppe stieß an und verspürte Stolz darüber, dass sie den anstrengenden Parcours bravourös gemeistert hatte. Anschließend bestaunten sie die Katalogseiten. Anneliese fand manche Dekolletés zu gewagt. Ihr Konrad würde Amok laufen. Doch das
Hauptgesprächsthema war das Betzenaustanzen bei der bevorstehenden Dorfkirchweih. Paulina, Anneliese, Luise und Manuela hatten sich bereits angemeldet. Sie würden, wie es der Brauch vorschrieb, einem ledigen Kirchweihburschen zugeteilt, mit dem sie im Kreis um den Maibaum tanzen und mit anderen Paaren darum wetteifern würden, den Betzen, ein junges männliches Schaf, zu gewinnen. Die Pfarrerin des Ortes, Regina, hatte aufgrund ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft schweren Herzens auf die Teilnahme verzichtet, ebenso Gunda, die sich in Trauer befand. Klarissa König hatte mit der Begründung abgewunken, dieses traditionelle Geschehen sei ihr doch zu ursprünglich.
Konrad Schüpferling, der eifersüchtige Ehegatte von Anneliese, war mit diesem Plan ganz und gar nicht einverstanden und schmollte seit Tagen. Sie verwies zwar darauf, dass Kirchweihburschen nicht verheiratet sein dürfen, doch das half in keinster Weise weiter.
Die Damen spekulierten auf den Betzen und rechneten sich gute Chancen aus. Acht Paare hatten sich angemeldet, so dass ihre Gewinnchancen bei etwa fünfzig Prozent lagen. Das hatte Paulina in mühseliger Rechnerei herausgefunden.
Munter stießen sie auf das Gelingen ihres Vorhabens an und beschlossen, am kommenden Wochenende in Forchheim einen Einkaufsbummel zu machen und sich schicke Dirndlkleider zu kaufen.
Sie diskutierten lebhaft über die Zuordnung der jeweiligen Farbtöne, wobei Manuela Henneberger von vornherein ein zartes Rosa für sich beanspruchte. Ausschließlich diese Farbe würde ihren Alabasterteint und ihre blonden Haare perfekt zur Geltung bringen.
Gutmütig gaben ihre Freundinnen nach. Paulina sollte ein hellblaues Dirndl tragen, Anneliese ein lindgrünes und für Luise entschieden sie sich für ein dunkelrotes Kleid, das sie zu ihren schwarzen Haaren wunderbar kleiden würde.
„Auf den Betzen!“, riefen sie ausgelassen und nahmen noch einen Schluck kühlen Prosecco.
Die Kommissare hatten Sieglinde Silberhorn im Bamberger Präsidium abgeholt und fuhren nun auf dem schnellsten Weg nach Bayreuth. Gerd Förster versprach seinen Kolleginnen unterwegs, dass er sie nach den Ermittlungsarbeiten zum Essen einladen würde.
Sie setzten die Polizistin am Bayreuther Bahnhof ab. In der Brusttasche ihrer Uniform steckte ein Porträtfoto von Kati Simmerlein, für das sie sich nach längerer Überlegung entschieden hatte. Sie verabredeten den späteren Treffpunkt und Sieglinde betrat den Bahnhof. Zuerst unternahm sie einen Rundgang, um sich mit der Lokalität vertraut zu machen. Da sie Zeit genug hatte, beschloss sie, sich vor den schwierigen Befragungen erst einmal eine Erfrischung zu gönnen. Ihr war heiß in der Uniform. Doch die Jacke konnte sie nicht ablegen, schließlich war sie mit
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