Nachtgieger
Gaststätte drehten sich nach ihr um. Sie bemerkte nichts davon.
Aufgeregt, mit nun gedämpfter Stimme, berichtete sie ihren Kollegen: „Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass eine wichtige Information in meinem Unterbewusstsein gespeichert ist. Ich weiß jetzt, welche es war.
Ich erinnere mich vage an eine Nachricht im Radio, die ich ungefähr Mitte Juni gehört habe. Ich war alleine und hatte viel um die Ohren. Du hattest nach der Aufklärung der zwei Morde in dem kleinen fränkischen Dorf ein paar Tage Urlaub genommen und bist nach Berlin gereist, um dort mit deiner Freundin Laura den Stand eurer Beziehung zu klären.“
Der Kommissar stöhnte leicht schmerzgepeinigt auf. Seit dieser unglückseligen Unternehmung war er definitiv Single. Seine Freundin hatte sich in einen anderen Mann verliebt, der in der Hauptstadt eine steile Karriere vor sich hatte, und wollte nichts mehr von ihm wissen.
Sieglinde spitzte die Ohren. Dann verwarf sie den Gedanken so schnell wieder, wie er in ihrem Kopf aufgetaucht war. Der tollkühne Fußballspieler aus Ortspitz war schließlich ihr Favorit.
Mandy erzählte weiter: „In dieser Nachricht damals war von einer Leiche auf einem Wasserrad die Rede, ich bin mir ziemlich sicher. Irgendwo zwischen Erlangen und Forchheim, in der Nähe einer kleinen Ortschaft, deren Namen habe ich vergessen. Es handelte sich nicht um einen Unglücksfall. Sie sprachen von einem Verbrechen.“
„Möhrendorf? Oberndorf?“, hakte der Kommissar nach.
„Bingo“, bestätigte Mandy, „Oberndorf.“
Sie sahen sich erschüttert an, weil ihnen sofort klar wurde, was das bedeuten konnte.
„Wir recherchieren morgen die Hintergründe“, bestimmte Gerd Förster. „Wenn Mandy recht hat, könnten wir es mit einem extrem gefährlichen Serienmörder zu tun haben.“
Sieglinde Salome Silberhorn spürte, wie sich auf ihren Unterarmen abrupt sämtliche Härchen aufstellten.
Sieglinde hatte endlich ihren wohlverdienten Feierabend. Sie sah nach ihrem kranken Vater, plauderte mit ihm über den Tag und gemeinsam tranken sie eine Tasse Pfefferminztee.
Als schließlich seine Lieblingsserie „Hoffnungslose Liebe“ begann, ließ sie ihn in Ruhe fernsehschauen. Sie überzeugte sich davon, dass er völlig in die für sie undurchschaubaren Liebeswirren vertieft war, und inspizierte heimlich seinen Kühlschrank. Häufig fanden sich darin abgelaufene Lebensmittel, die er trotzdem zerstreut verzehrte. Er verlor immer häufiger den Überblick und kaufte viel zu viel ein. Sie ließ die verdorbenen Speisen in einer Plastiktüte verschwinden, die sie später entsorgen wollte.
Danach durchwühlte die Polizistin ihren Schrank im Schlafzimmer nach geeigneter Sportkleidung. Sie war felsenfest entschlossen, ihr knallhartes Trainingsprogramm noch an diesem Abend zu beginnen. Ende der Woche würden sich bereits die ersten Muskelgruppen zeigen und sie hätte zwei bis drei Pfund an Gewicht verloren – so war es in der Frauenzeitschrift, die sie abonniert hatte und jede Woche eifrig studierte, zu lesen. Durch diese körperliche Verwandlung würde sich dann ganz automatisch auch ihr verkümmertes beziehungsweise nicht vorhandenes Liebesleben aktivieren. Aufregende Zeiten standen bevor!
Sie zerrte eine alte, ausgebeulte Jogginghose aus den Tiefen ihres Kleiderschrankes und schlüpfte hinein. Der Gummizug musste im Laufe der Jahre geschrumpft sein. Sieglinde gelang es nicht, die graue Hose über ihren Bauch zu ziehen. Gedankenverloren knabberte sie an einem Stückchen Nougatschokolade. Heutzutage trug man beim Sport atmungsaktive, schicke, hautenge Kleidung. Es war unmöglich, sich mit Schlabberhose und T-Shirt zum Training zu begeben.
Sie hatte einen Waldpfad ausgesucht, der sich in der Nähe von Ortspitz befand. Vielleicht würde sie dort ihrer Flamme, dem begnadeten Fußballspieler, begegnen.
Sieglinde beschloss, in den nächsten Tagen mit ihrer Freundin Marlene, einer Haarstylistin, ein Sportfachgeschäft aufzusuchen und sich entsprechend einzukleiden. Als hätte es eine Gedankenübertragung gegeben, klingelte das Telefon. Marlene rief an und schlug vor, sich zu einer Runde Billard zu treffen.
Sie kamen fast gleichzeitig in ihrer Stammkneipe an und spielten fünf Runden. Sieglinde verlor knapp, als sie mit einem Stoß sowohl die schwarze als auch die weiße Kugel versenkte. Künstlerpech – sie hielt sich eindeutig für die bessere, taktisch klüger vorgehende Spielerin.
Die beiden Freundinnen beschlossen, eine
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