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Nachtgieger

Nachtgieger

Titel: Nachtgieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Maria Dries
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Morgen ein rundlicher, silberner Knopf mit einem Hirschkopf gefunden. Vermissen Sie einen solchen Knopf?“
    „Werte Frau Kommissarin, ich habe volles Verständnis für Ihr Misstrauen und für Ihre Fragen, aber ich vermisse überhaupt nichts und ich kann Ihnen bei Ihren zugegebenermaßen schwierigen Ermittlungen auch nicht weiterhelfen, so tief ich das bedaure, das können Sie mir glauben.“
    In aller Ruhe zog er an seiner Pfeife und nahm einen kräftigen Schluck von seinem Rotwein.
     
    Die Kirchweih fand auf dem Anger inmitten des Dorfes statt. Das rechteckige, geräumige Festzelt, dessen weißblau gestreifte Stoffwände an diesem lauen Septemberabend hochgeschlagen waren, füllte sich stetig. Auf einer Holzbühne gab die gutgelaunte Blaskapelle aus Langensendelbach ihr Bestes und schmetterte in voller Lautstärke ein Kirchweihlied nach dem anderen. Viele Besucher schunkelten und sangen begeistert mit. Einige der Gäste hatten sich bereits an der provisorisch gezimmerten Bar „Mexicana“ versammelt und prosteten sich mit Margueritas, dem diesjährigen Kultgetränk, zu. Natürlich mit Salzrand. Man war schließlich weltgewandt. Dralle Bedienungen in feschen Dirndlkleidern rannten geschäftig hin und her und servierten riesige, dampfende Portionen und Kirchweihbier in Maßkrügen. Schäuferle, so groß wie Kinderschuhschachteln, trafen auf hungrige Abnehmer.
    Der prächtig geschmückte Kerwabaum, der ganze Stolz der Kirchweihburschen, die ihn am Samstag gefällt und geschickt unter den anfeuernden Rufen der Zuschauermenge und mit vielen Prosits der Gemütlichkeit aufgestellt hatten, ragte über dem Festplatz hoch auf. Nachts wurde er von den Burschen bewacht, da es als enorme Schande galt, wenn dieser von heimlichen, übel gesonnenen Besuchern aus den Nachbargemeinden geschält wurde.
    Von der Hüpfburg in Form eines blauen Dinosauriers, dem Kinderkarussell und der Schiffschaukel drang das fröhliche Juchzen der Kinder herüber. Lea-Sophie, die Tochter von Regina und Theo Engeltal, thronte stolz auf einem dicken, rosa Schwein, klammerte sich mit ihren kleinen Patschhändchen an dessen Zügel fest und quietschte, dass einem die Ohren schallten. Vor dem Süßigkeiten- und Spielzeugstand hatte sich eine längere Schlange gebildet. An der Schießbude knallten die Schüsse, und Plastikrosen wurden stolz an die Liebste weitergereicht. Glückliche Kinder, in der einen Hand ihr Eis und in der anderen achtsam einen lustig sich im Abendwind wiegenden Luftballon, liefen über den Dorfanger.
    Die aufgebrezelten Kirchweihmädels erreichten das muntere Treiben auf dem Platz in letzter Minute und wurden von ihren feschen Kirchweihburschen formvollendet empfangen und mit Komplimenten überschüttet. Die eifrigen jungen Männer trugen gestärkte weiße Hemden und schwarze Stoffhosen. Um den Hals hatte sich jeder ein keckes Tüchlein geschlungen. Nur Ferdi wirkte etwas irritiert, weil er außerplanmäßig mit Klarissa, einer Zugezogenen aus der Stadt, tanzen sollte. Vielleicht war die Verwirrung aber auch darauf zurückzuführen, dass er bereits die zweite Maß intus hatte. Und auch bei der nächtlichen, gewissenhaften Bewachung des Kirchweihbaumes hatte er schon unbändigen Durst verspürt.
    Mit sichtbarem Unbehagen stand Klarissa, festlich gekleidet in Paulinas hellblauem Dirndl, neben ihrem Tanzpartner und verspürte das unangenehme, heftige Drücken von Manuelas nachtblauen Stöckelschuhen.
    An einem Pflock, einige Meter vom Maibaum entfernt, zerrte ein fast ausgewachsener Schafbock, der „Betz“, ungeduldig an seinem Strick.
    „Was soll ich denn jetzt machen?“, wollte Klarissa von Manuela wissen.
    „Du tanzt zur Musik mit dem Ferdi ein paar Runden immer um den Kirchweihbaum herum, dann gebt ihr den Birkenzweig weiter an das Paar hinter euch. Meine Güte, ich denke, du hast sozialistische Pädagogik studiert, lernt man da nicht, wie man Betzen austanzt? Das Paar, das den Zweig in der Hand hält, wenn der Wecker klingelt, gewinnt den Schafbock, ganz einfach.“
    Die Blasmusik setzte ein und die Kirchweihburschen- und -mädchen begannen, fröhlich um den Maibaum zu tanzen. Die bunten Röcke der Damen schwangen bei den schnellen Bewegungen und anmutig drehten sie sich unter den erhobenen Armen der Männer hindurch. Der mit bunten Bändern verzierte, weißgrüne Birkenzweig wurde von der hochkonzentrierten Klarissa weiter nach vorn gereicht.
    „Nach hinten, Klarissa“, zischte Manuela Henneberger.
     
    Gregor König, der

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