Nachtgieger
Nachbardorfes Seniorenpaté mit Forelle besorgt. Derartige Spezialitäten waren im Dorfladen zwar erhältlich, es herrschte jedoch überwiegend die Ansicht unter der hiesigen Bevölkerung, Katzen sollten Mäuse fressen – basta.
Klarissa versuchte gerade geduldig und mit umschmeichelnder Stimme, das Tier anzulocken, als ihr Mann Gregor ihr den Telefonhörer aus der Küche reichte. Er wusch dort gerade Spinatblätter für ihr gemeinsames Abendessen und mixte als Aperitif Campari mit Grapefruitsaft, einem Schuss Prosecco und zerstoßenem Eis und verzierte die Gläser mit einer Zitronenscheibe.
„Die Betzenaustanztruppe“, grinste er. „Anscheinend ist ein Notfall eingetreten.“
Klarissa lauschte. Dann holte sie den Schlüssel und rannte los.
Paulinas Wohnung wirkte vollkommen verlassen. Das hellblaue Dirndlkleid für den abendlichen Auftritt hing auf einem Bügel am Kleiderschrank.
Klarissa informierte über ihr Handy die Freundinnen.
Die energische Manuela übernahm das Kommando: „Nimm das Dirndl und komm her. Du musst für Paulina einspringen. Wir können nicht als unvollständige Gruppe antreten, wir würden uns ja bis auf die Knochen blamieren.“
„Ich?“, fragte Klarissa alarmiert.
„Ja du, wer denn sonst. Und beeile dich. Unser Auftritt beginnt in einer halben Stunde. Keine Angst, ich coache dich. Betzenaustanzen ist im Grunde ganz einfach.“
Die Kommissare parkten direkt vor dem alten Forsthaus. Es stand oberhalb der kleinen Ortschaft und wirkte wie ein verwunschenes Relikt aus längst vergangener Zeit. Dunkel erhob es sich auf einer Lichtung, die von dicht stehenden Fichten und wucherndem Gebüsch umgeben war. Es wurde bereits dämmrig und nur eine Lampe über der Haustür erhellte den Vorplatz, dessen Erde von Moos und Grasbüscheln überzogen war. Mächtige Hirschgeweihe zierten in einer Reihe die Vorderfront oberhalb des Erdgeschosses. Prächtige Fensterläden aus hellem Birkenholz, in die kunstvolle Jagdszenen geschnitzt waren, umgaben die zurückgesetzten kleinen Fenster, die jeweils von einem Holzkreuz in vier Quadrate aufgeteilt wurden. Blumenkästen mit königsblauen und violetten Petunien waren darunter angebracht. Der hellblaue Wandputz wirkte neu. Auf dem Hof stand ein schlammverschmierter, schwarzer Geländewagen mit dem Kennzeichen FO-EH-69. Jenseits des Vorplatzes erstreckten sich verschachtelte und in der Dämmerung geheimnisvoll wirkende Nebengebäude.
Ein alter, runder, aus Feldsteinen gemauerter Brunnen mit einem spitzen, verrosteten Dach und einer Seilwinde erweckte Mandys Interesse. Sie las einen Stein vom Boden auf und warf ihn hinein. Es dauerte lange, bis sie das platschende Geräusch vernahm, als der Kiesel die Wasseroberfläche erreicht hatte.
„Unheimlich hier“, murmelte sie und spähte in alle Richtungen, als würde sie damit rechnen, dass sich sogleich eine Bestie auf sie stürzen würde.
Plötzlich erhellte ein Lichtschein eines der Fenster im Erdgeschoss. Gerd Förster betätigte den Klöppel der altmodischen Glocke. Nach einigen Sekunden vernahm er Schritte, die sich gemächlich auf den Eingang zubewegten. Die oben abgerundete Tür wurde geöffnet und ein hochgewachsener, übergewichtiger Mann sah ihm erstaunt ins Gesicht. Er trug einen Bart, aus dem eine runde Himmelfahrtsnase lugte. Kleine, tiefliegende Augen fixierten die unangemeldeten Gäste ausdruckslos.
„Was kann ich für Sie tun?“, erkundigte er sich höflich. „Sie kommen außerhalb meiner Sprechzeiten und das günstige Holz ist bereits seit gestern ausverkauft.“
„Kripo Bamberg.“ Der Kommissar zeigte ihm seinen Dienstausweis. „Sind Sie der Revierförster Ewald Hufnagel? Wir möchten mit Ihnen sprechen. Dürfen wir ins Haus kommen?“
„Oh, welch hoher Besuch in meiner bescheidenen Hütte“, erwiderte er ironisch mit seltsam hoher Stimme, die nicht recht zu seiner massigen Gestalt passen wollte. „Nur herein in die gute Stube, ich habe soeben Feuer im Kamin entzündet. Abends wird es doch recht kühl.“
Du wirst dich noch wundern, Bürschla, dachte die Kommissarin aufgebracht und bemerkte in ihrer Verärgerung gar nicht, dass sie auf Fränkisch mit sich selbst gesprochen hatte.
Ewald Hufnagel führte sie durch einen engen, düsteren Flur in ein Zimmer. Als sie an der Garderobe vorbeigingen, entdeckte Mandy einen weiten Mantel, der an einem vergoldeten, geschwungenen Haken hing und aus dessen Falten etwas Silbernes aufblitzte. Rasch und unauffällig zog sie die schweren
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