Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachtgieger

Nachtgieger

Titel: Nachtgieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Maria Dries
Vom Netzwerk:
Förster war beeindruckt von dem treffenden Vergleich. Vielleicht war Gerdi Drummer ja doch nicht so einfältig.
     
    Die Konditoreibesitzerin Manuela Henneberger hatte an diesem Morgen einen Starfriseur in Nürnberg aufgesucht, der in ihr blondes, wallendes Haar goldene Strähnchen gezaubert hatte. Der Schnitt, den Enrico ihr empfohlen hatte, war erst kürzlich in Mailand kreiert worden und mit seiner italienischen Raffinesse aufsehenerregend.
    Sie würde beim Betzenaustanzen heute Abend die beste Figur machen, das stand so sicher fest wie das Amen in der Kirche. Klausi würde vor Stolz auf seine attraktive Lebensgefährtin platzen. In letzter Zeit hatte sie manchmal den besorgniserregenden Eindruck gewonnen, dass sein Begehren ein wenig nachließ. Aber sie verfügte über Mittel und Wege, um diesen Zustand zu ändern. Diese Schlaftablette würde sich noch wundern.
    Sie verließ das rauchschwarz gekachelte Badezimmer, gehüllt in einen cremefarbenen, seidenen Morgenmantel, und stellte zwei Flaschen Erdbeersekt kalt. Die Kirchweihmädels hatten beschlossen, sich vor ihrem Auftritt auf der Kirchweih bei Manuela zu treffen, sich dort mit gegenseitiger Unterstützung den letzten Schliff zu verpassen und sich mit einem oder zwei Gläschen Erdbeersekt, ihrem definitiv favorisierten Getränk, ein wenig Mut anzutrinken.
    Die Konditoreibesitzerin hatte sich gerade das rosafarbene Dirndlkleid über die tief dekolletierte, blütenweiße Spitzenbluse gezogen, als es an der Haustür klingelte. Sie vernahm bereits das fröhliche Lachen und Scherzen ihrer Freundinnen. Schnell schlüpfte sie in die hohen Stöckelschuhe, deren rosa Farbe eine Nuance dunkler war als ihr Dirndl, und eilte voller Vorfreude auf den aufregenden Abend zur Tür.
    Die Damen umarmten sich herzlich, sprachen sich Mut zu und stießen mit den Schalen an, in denen der Sekt perlte. Luise Walz sah in ihrem dunkelroten Dirndl hinreißend und feurig aus. Manuela reichte ihr einen passenden blutroten Lippenstift. Die lindgrüne Farbe von Anneliese Schüpferlings Kleid machte sie ein wenig blass. Womöglich konnte diese Blässe auch daher rühren, dass ihr Gatte Konrad ihr beim Verlassen des heimischen Herdes vorgeworfen hatte, sie hätte die moralische Orientierung verloren, weil sie mit einem zwanzig Jahre jüngeren Kirchweihburschen den Betzen austanzen wollte. Auf ihre patzige Entgegnung hin, er würde ja wohl am Peter-Pan-Syndrom leiden und sich irgendwann einmal alleine im Nimmerland wiederfinden – das hatte sie kürzlich in einer Frauenzeitschrift gelesen und nicht ganz verstanden – war er empört aus dem Haus gestürmt und saß vermutlich bereits bei seiner ersten Maß im Bierzelt.
    Manuela verrieb ein wenig Rouge auf ihren Wangen und tröstete sie: „Der eifersüchtige Doldi beruhigt sich schon wieder.“ Dann entdeckte sie die Schleife an Annelieses Dirndlschürze. „Du musste deine Schleife vorne rechts binden, das bedeutet für die Männerwelt ein klares Signal, dass du vergeben bist. So wie du sie trägst, vorne links verknotet, denken die Kerle, du bist noch zu haben.“
    „Aber im Dorf weiß doch jeder, dass ich mit meinem Konrad verheiratet bin.“
    „Anneliese!“
    Paulina fehlte. Sie war ein bisschen unorganisiert und kam häufig zu spät. Aber jetzt wurde die Zeit knapp. Sie erreichten sie weder auf ihrem Festnetzanschluss noch ging sie an ihr Handy.
    Luise Walz hatte eine Idee: „Wir rufen Klarissa an, sie verwahrt einen Zweitschlüssel für Paulinas Wohnung, weil sie sich häufig aussperrt.“
    Klarissa sollte in Paulinas Wohnung gehen und nachsehen, ob sie zu Hause war, und ihr ausrichten, dass sie sich sofort hierher bewegen sollte. Wahrscheinlich war sie wieder vor dem Fernseher eingeschlafen, weil sie die halbe Nacht im Internet gesurft hatte.
     
    Klarissa hatte soeben ihre Pflanzen im Hof und im Garten gegossen und an ihnen herumgezupft. Sie fühlte sich wohl in ihrer bequemen, grünen Jogginghose und den ausgetretenen Turnschuhen. Bei dieser ruhigen Beschäftigung fand sie ihr inneres Gleichgewicht und war glücklich.
    Ein scheuer großer Wildkater, der seit einigen Tagen abends zum Fressen kam und gierig über die Näpfe von Charlotte und Rüdiger, den beiden Hauskatzen, herfiel, näherte sich wachsam und hungrig. Sein getigertes Fell wirkte ungepflegt und struppig, und aufgrund seines wahrscheinlich fortgeschrittenen Alters konnte er nur weiche Nahrung zu sich nehmen. Klarissa hatte vorgesorgt und im kleinen Supermarkt des

Weitere Kostenlose Bücher