Nachtgieger
Schöße des Kleidungsstückes auseinander und erblickte eine Reihe von silberfarbenen Knöpfen mit filigran eingravierten Hirschköpfen. Der unterste in der Reihe fehlte. Die Fäden hingen lose aus dem Stoff.
Der Raum war behaglich eingerichtet. Durch die gelungene Stilmischung aus antiken Möbelstücken und modernen Elementen wirkte er gemütlich. Stehlampen verbreiteten ein angenehmes, sanft gelbes Licht. Feuer loderte im offenen Kamin.
Der Förster lud sie ein, auf dem schwarzen, robusten Ledersofa Platz zu nehmen. Er selbst machte es sich in einem Ohrensessel bequem, der mit karmesinrotem Samt überzogen war.
Ein überbordendes Bücherregal zog sich an der Wand entlang. Gerd Förster erkannte dicke Werke über Geschichte, Philosophie und Astrologie, auch einige Bildbände stapelten sich über den Bücherreihen. Der Hausherr trug eine beige Cordhose und ein braunes Wollhemd. Im Schein der Lampen war eine beginnende Glatze zu erkennen.
Er griff nach einer Flasche Burgunder, die auf dem Tisch stand, und schenkte sich ein bauchiges Rotweinglas halb voll. „Möchten Sie auch ein Glas Wein? Ein erlesenes Tröpfchen, ich lasse mir die Kisten aus Frankreich schicken. Nach Feierabend gönne ich mir immer einen Schluck. Der Beruf des Försters ist keineswegs so geruhsam, wie Sie vielleicht annehmen, manchmal ist es purer Stress. Vor allem die Sitzungen des Naherholungsvereines, von der ich gerade komme, sind unerträglich. Es ist nervenaufreibend, die unterschiedlichen Sichtweisen von Dorfpatriarchen – ich meine die Bürgermeister – unter einen Hut zu bringen.“
Die Kommissare lehnten dankend ab. Der Förster steckte sich eine Pfeife an, die er umständlich gestopft hatte, und sogleich erfüllte ein köstlicher Duft nach Bratäpfeln den Raum.
Die Kommissarin war jedoch nicht gekommen, um einen gemütlichen Abend am Kaminfeuer zu verbringen, und legte ungeduldig los: „Herr Hufnagel, wir ermitteln im Fall des ermordeten Jungjägers Clemens Lämmerhirt. Sie hatten einen heftigen Streit mit ihm, am späten Freitagabend in der Grünen Au. Worum ging es dabei?“
Sie meinte, ganz kurz das Aufglimmen von kaum beherrschbarem Jähzorn in seinen Augen zu erkennen, dann hatte sich der Eindruck in Luft aufgelöst.
„Eine kleine Kabbelei unter Jägern, völlig irrelevant, ich weiß gar nicht mehr, worum es überhaupt ging.“
Gerd Förster half ihm auf die Sprünge: „Herr Lämmerhirt hat sich über Sie lustig gemacht, weil Sie keine Frau finden.“
Diesmal blieb der Förster ganz gelassen. Er lehnte sich entspannt zurück. „Ich habe wohl etwas überreagiert, aber nicht wegen dieser albernen, jeder Grundlage entbehrenden Äußerung, sondern weil ich grundsätzlich der Meinung bin, dass sich die jungen Leute heutzutage ein bisschen viel gegenüber der älteren Generation herausnehmen. Zu meiner Zeit wäre so eine Grenzüberschreitung undenkbar gewesen.“
„Wo befanden Sie sich in der Nacht von Samstag auf Sonntag in der Zeit zwischen vierundzwanzig Uhr und drei Uhr früh?“
„Hier, zu Hause in meinem Bett.“
„Kann das jemand bezeugen?“
„Nein, ich wohne alleine hier.“
„Haben Sie eine Freundin, eine Lebensgefährtin?“
„Ich bin überzeugter Single. Früher hatte ich eine Freundin. Aber die wollte nur ausgehen. In die Disco, in teure Bars und Restaurants, in Kunstausstellungen. Das war mir auf die Dauer zu anstrengend. Ich liebe den Wald, mein schönes Revier und die Ruhe. Vielleicht bin ich inzwischen ein seltsamer Kauz geworden, ein Eigenbrötler. Aber ich bin mir selbst genug. Ich brauche keine Frau.“
Er klang sehr überzeugend, dennoch glaubte ihm die Kommissarin kein Wort.
„Kannten Sie Kati Simmerlein?“, bohrte sie weiter.
Der Förster überlegte: „Sie meinen die junge Frau aus der Nachbarortschaft, die man tot auf dem alten Wasserrad in Ebermannstadt gefunden hat? Nein, ich kannte sie nicht.“
„Sie lag brutal ermordet und festgebunden auf dem Schöpfrad“, Mandys Stimme wurde etwas lauter.
Er zuckte mit den Achseln.
Der Kommissar übernahm die weitere Befragung – Mandy musste sich erst beruhigen. „Besitzen Sie eine Blockhütte irgendwo im Wald?“
„Aber nein, ich habe Arbeit genug mit diesem unübersichtlichen, großen Anwesen hier, das können Sie mir glauben.“
„Eine alte Frau, Apollonia Vierheilig, wurde ebenfalls vor einigen Tagen ermordet“, übernahm die Kommissarin wieder das Gespräch. „Auf der Wiese neben ihrem Haus wurde am darauffolgenden
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