Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
Sprünge bekam. »Das Angebot würde ich nur annehmen, wenn Kognak und Ähnliches nicht bloß wie Gift schmecken, sondern auch wie Gift wirken würden.« Einen Moment lang sah Adam so aus, als würde er die Fassung verlieren. »Mir geht das befriedigte Lächeln dieser Frau einfach nicht aus dem Kopf. Dieser verfluchte Dämon hat es aussehen lassen wie eine Verführung, und ich werde das Gefühl nicht los, dass es ihm gar nicht um das Blut ging, sondern darum, mich zu demütigen. Er hat mich erst als Lockmittel und dann als Waffe missbraucht - und ich habe das einfach zugelassen. Ich werde mir nie wieder in die Augen sehen können.«
»Nun seien Sie doch nicht so streng mit sich! Sich selbst verachten müssten Sie nur, wenn diese Verführung auf Ihr Konto gegangen wäre. Und das ist ja wohl nicht der Fall«, unterbrach Etienne ihn erregt. »Allerdings müssen Sie sich vorwerfen,
es so weit haben kommen zu lassen, dass der Dämon gezwungen war, die Macht an sich zu reißen.Wenn Sie ihm sein Blutopfer freiwillig brächten, dann könnten Sie sowohl das Wie als auch das Wie viel bestimmen.«
»Dann würde so etwas nie wieder geschehen?«
Zwar freute sich Etienne darüber, etwas wie Hoffnung in Adams Augen aufleuchten zu sehen, doch er musste ihn sogleich enttäuschen. »Wenn Sie dem Dämon regelmäßig huldigen, werden solche Exzesse die Ausnahme bleiben. Dass Sie jedoch den Blutrausch vermeiden können, kann ich Ihnen leider nicht zusichern. Mit einigen seiner Opfer hat der Dämon eigene Pläne, und in solchen Momenten lässt er sich nicht bezwingen. Das ist jedenfalls meine Erfahrung.«
Schlagartig wich die neu erwachte Hoffnung aus Adams Zügen, aber er nickte, als habe er endlich akzeptiert, einen Kampf gegen den Dämon nur verlieren zu können. »Ich will nicht behaupten, dass ich damit leben kann - wenn man das, was ich tue, überhaupt leben nennt. Allerdings werde ich versuchen, den entstehenden Schaden möglichst gering zu halten. Das ist es doch, worauf Sie hinauswollen.«
»Ja«, sagte Etienne.Vermutlich hätte er froh sein sollen über Adams Einlenken, aber er war es nicht. Unwillkürlich verspürte er den Wunsch, die Überreste von Adams menschlichen Zügen zu erhalten, anstatt ihn dazu zu überreden, dem Dämon den Raum zu überlassen.Was war nur los mit ihm? »Henri hat übrigens die Taschen Ihrer alten Kleidung durchsucht und diesen Schnipsel hier gefunden«, lenkte er das Gespräch auf ein anderes Thema. »Es wundert mich, dass Sie sich Ihres Tascheninhaltes nicht selbst angenommen haben, da Sie doch so verzweifelt nach Ihrer Vergangenheit suchen.Wenn ich mich nicht irre, sind Sie ein hervorragender Fährtenleser.«
Adam nahm den Streifen gelben Papiers entgegen und drehte ihn zwischen den Fingern, ohne ihn wirklich anzusehen. »So
weit bin ich bei meiner Tascheninspektion nicht gekommen. Als ich gerade dabei war, hat der Dämon meine Aufmerksamkeit nämlich kurzerhand auf etwas anderes gelenkt, und zwar auf sein höchst eigenes Interesse.Verstehen Sie, was ich meine?«
Etienne verstand ihn sehr wohl. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als das Wispern des Dämons bei Adams Andeutung aufgeregt zu rauschen begann. Dieser junge Mann kostete ihn zunehmend seinen Seelenfrieden. »Bei dem Papierstreifen handelt es sich um die Quittierung eines Gepäckstücks«, erklärte er kurz angebunden. »Allem Anschein nach haben Sie etwas am Gare de l’Est im zehnten Arrondissement hinterlassen. Außerdem hat Henri außer Bargeld auch dieses Heftchen in Ihrer Mantelinnentasche gefunden.«
» Peter Schlemihls wundersame Geschichte , geschrieben von einem gewissen Chamisso«, las Adam laut vor, während sich eine tiefe Falte zwischen seine Augenbrauen senkte.
»Sie sprechen Deutsch?« Etienne war nicht im Geringsten überrascht. Er hatte den Verdacht, dass auch andere Sprachen Adam keine Probleme bereiteten. Beim Verschmelzen mit dem Dämon wurden oft die unterschiedlichsten Talente freigelegt, als würde man auf das Wissen dieses Wesens zurückgreifen, das sich außerhalb der Zeit bewegte.
»Hat ganz den Anschein«, sagte Adam, der mit den Gedanken sichtlich woanders war, während er die Seiten durchblätterte, ohne jedoch auf Notizen oder sonstige Zeichen zu stoßen. Das hatte Etienne auch schon überprüft. »Aber weder das Heftchen noch die Geschichte sagen mir etwas.Wenn das Heft nicht so eindeutig nach mir riechen würde, könnte ich mir nicht vorstellen, dass es einmal mir gehört hat.«
»Das können
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