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Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz

Titel: Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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sondern des Geistes, der sich nicht zähmen lassen wollte. Der Teil von ihm, der dem
Ganzen angehörte, hatte wild aufgejault und gefordert, den Tempel zu zerstören, aber er war ungehorsam gewesen. Dies war der perfekte Tempel für ihn, der einzige Tempel, der je existieren würde. Selbst wenn es bedeutete, auf ewig um seine Herrschaft kämpfen zu müssen - dazu war er bereit.
    Und während die junge Dame kaum wusste, wie ihr im Dämmerlicht der Kutsche geschah, und vor Leidenschaft aufstöhnte, hatte er den Verdacht, dass es ihm durchaus gelingen konnte, diesen Kampf schneller als gedacht zu gewinnen. Er könnte Adams Widerwillen brechen, indem er sich dessen aufblühendes Talent zunutze machte: die Jagd.
    Er würde Adam jagen lassen, bis er sich selbst verlor.

5
    Spurenlese
    Der Abend war bereits angebrochen, als Etienne den dritten Anlauf nahm, sich in Victor Hugos Der Glöckner von Notre-Dame zu vertiefen. Er liebte diesen historischen Roman, besonders jene Passagen über den gewitzten Poeten Pierre Gringoire, der alles im Auge behielt, was in der Nähe der Kathedrale passierte.
    Mit dem Namen Victor Hugo verband Etienne allerdings noch etwas anderes als die Erfüllung seiner Leseleidenschaft. Denn an jenem Tag vor gut vier Jahren, als der große Schriftsteller Frankreichs starb, hatte Etienne sich dazu entschieden, sein Leben als Mensch abzustreifen und ein neues anzufangen. Allen Pflichten, die der Dämon einem abverlangte und über die er bereits vor seiner Neugeburt genau Bescheid wusste, zum Trotz. In Anbetracht der gebotenen Möglichkeiten hatte ihn die Vorstellung, in den Blutdienst zu treten, wenig geschreckt. Sein ausgeprägter Forschergeist hatte es ihm schon als jungen Mann schwer gemacht, sich mit dem Gedanken abzufinden, dass die Zukunft ihm für immer verschlossen blieb, weil eines Tages der Tod an seine Tür anklopfen würde. Unsterblichkeit zu erlangen, auch wenn er dafür einen nicht absehbaren Teil seiner Menschlichkeit verlor, erschien ihm damals als Geschenk. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits ein reifes Alter erreicht, in dem es absehbar war, dass die kommenden Jahre einem noch viel mehr als der Dämon raubten: nicht bloß die Erinnerung, sondern auch die Würde, wenn man plötzlich
nicht mehr wusste, wozu ein Löffel gut war, oder sich vor Schmerzen kaum rühren konnte. All diese weltlichen Dinge ließ man mit dem Eintritt des Dämons hinter sich. Seitdem hatte Etienne Dinge erlebt - oder vielmehr getan -, die ihn zutiefst schockierten. Nichtsdestotrotz hatte er nie an der Richtigkeit seiner Entscheidung gezweifelt.
    Bis zum heutigen Tag. Bis er gesehen hatte, wie es Adam mit dem Dämon erging.
    Etienne hatte die Lage unterschätzt, in der sich der junge Mann befand - und er hatte Adam unterschätzt. Dabei hatte er ursprünglich geplant, diesen Frischgeborenen, der Adam zweifelsohne war, behutsam in die Welt des Dämons einzuführen. Er hatte sich zunächst auf Umwegen an die Existenz dieser unglaublichen Macht heranpirschen und dann rasch von den Vorzügen sprechen wollen, die der Dämon bereithielt. Später, wenn Adam Furcht und Wut überwunden hätte, hätten sie über das Rätsel diskutieren können, das die Existenz des Dämons aufgab. Und vielleicht auch schon über den Blutdurst, obwohl Etienne dieses Thema in der letzten Zeit immer unangenehmer geworden war. Doch dann hatte er Adam mit durchtrennter Kehle aufgefunden, und das hatte seinen sorgfältig überlegten Plan zunichtegemacht. Das aufbrausende Temperament dieses Mannes machte ihn unberechenbar, wie auch sein ausgeprägter Eigensinn. Etienne musste sich beeilen, wenn er vermeiden wollte, dass Adam einen größeren Fehler beging, als sich selbst zu richten. Da brauchte er einen Freund an seiner Seite, der nicht zögerte, ihm den Weg zu weisen, notfalls auch gegen Adams Widerstand.
    Mit einem Seufzen beschloss Etienne, sich dieser Verantwortung zu stellen, obgleich es wenig seiner Persönlichkeit entsprach, die Position des Beobachters zu verlassen und aktiv einzugreifen. Er fühlte eine Verbindung zu dem jungen Mann, die er nicht ignorieren konnte - ob ihm das nun gefiel oder
nicht. Nun, zumindest im ersten Anlauf war er dabei mit Pauken und Trompeten gescheitert, wie Etienne sich schonungslos eingestand. Er hatte nicht nur Adams ohnehin ausgeprägten Widerwillen gegen den Dämon geschürt, sondern ihn auch noch im Blutrausch davonstürmen lassen. Das ansonsten stete Surren und Ziehen des Dämons war bei seinen Versuchen,

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