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Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz

Titel: Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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ewig so weiterlaufen können, das Klacken von Etiennes Gehstock in seinem Ohr. Doch ein helles Frauenlachen riss ihn aus seiner Entrücktheit.
    Auf dem Trottoir kam ihnen eine nach Wein riechende Gruppe von Nachtschwärmern entgegen, Übermut und Lebenslust
versprühend. Eine Dame, untergehakt bei einem leger gekleideten Herrn, der gerade zu einer lautstarken Schimpftirade über den fast fertiggestellten Eiffelturm ansetzte, winkte Adam aufreizend zu.
    »Ich habe noch einen Arm für Sie frei, mein Hübscher.Wollen Sie uns nicht begleiten? Wir kennen mehr als einen Ort, wo man sich auch nach der Sperrstunde hervorragend amüsieren kann.«
    Adam blieb stehen, als hätte man ihm eine Ohrfeige verpasst. Diese Art von Aufmerksamkeit war alles andere als nach seinem Geschmack.
    Die Gruppe passierte, und die Dame ließ es sich nicht nehmen, ihren Zeigefinger über Adams Oberarm gleiten zu lassen, was ihre Begleitung endlich den Monolog unterbrechen ließ. »Also wirklich, Chloé. Du hast auch nicht den kleinsten Funken Anstand im Leib«, sagte der Mann, aber es klang wie ein Kompliment. Er schob sich seinen zerknautschten Hut in den Nacken und lachte, woraufhin die anderen sogleich mit einfielen.
    »Wenn du dich über diesen aufragenden Stahlriesen und die Weltausstellung in Rage redest, darf ich mich wohl nach etwas umschauen, das mein Interesse erregt.« Sie warf dem erstarrten Adam einen Handkuss zu, woraufhin der sich abwandte. »Schau doch nur einmal her, Chéri, damit du auch weißt, was du verpasst!« Was immer sie auch tat, von ihrer Gesellschaft erntete sie Begeisterungsstürme und Gelächter.
    Adam musste nicht fragen, was dem geneigten Publikum geboten worden war. Er hatte das Rascheln ihrer Unterröcke, als sie diese über die Knie hob, deutlich gehört, auch wenn er es immer noch nicht glauben konnte.
    »Ja, die Frauen von heute. Wirklich erstaunlich. Vermutlich die Muse eines Malers«, murmelte Carrière, der einen Blick über die Schulter riskiert hatte und dessen Wangen sich nun rot
verfärbten. »Ein sehr unternehmungslustiges Völkchen. Wenn Sie mich fragen, eine umherstromernde Künstlerhorde mit ihren Freunden aus aller Welt, der es im Herzen von Montmartre zu langweilig geworden ist. Die Stadt ist in diesen Tagen voll von ihnen, harren alle der Weltausstellung, deren Eröffnung noch mehr Leben und Geld in die Stadt bringen wird. Wie auch immer, wir sind an unserem Ziel angelangt.« Mit der Hand deutete Carrière auf das Ufer der Seine. »Die Dame, die uns heute ihre Gastfreundschaft gewährt, ist im Augenblick die interessanteste Gesellschaft, die Paris zu bieten hat. Ich möchte Sie bitten, Höflichkeit walten zu lassen und das Reden vorerst mir zu überlassen. Madame Rischka ist sehr unberechenbar, da möchte ich mir nicht auch noch um Ihren Hitzkopf Sorgen machen müssen.«
    »Natürlich«, sagte Adam, der nicht ganz bei der Sache war. Seine Aufmerksamkeit war auf das fest vertaute Hausboot unten am Ufer gerichtet.
    Während ihres Spaziergangs waren Adam immer wieder die länglichen, oftmals etwas heruntergekommenen Boote aufgefallen, auf denen Wäscheseile gespannt und deren Decks mit Blumenkübeln geschmückt waren. Ihm gefiel die Vorstellung, auf einem Boot zu wohnen. Jederzeit die Taue lösen und weiterziehen zu können, kam ihm in diesen Stunden wie die beste aller Möglichkeiten vor. Das Hausboot, zu dem Etienne ihn nun führte, sagte ihm ganz besonders zu, mit seinem dunkel schimmernden Holz und dem Licht, das durch die flaschengrünen Vorhänge in den Butzenfenstern fiel. Es strahlte etwas Altes und zugleich sehr Lebendiges aus, erzählte von fernen Orten, die ihre Spuren in seinem Antlitz hinterlassen hatten.
    Neben dem schaukelnden Bootssteg war eine Messinglampe angebracht, in der eine Kerze hinter rotem Glas flackerte - wie eine Einladung.

    Adam lief wie verzaubert auf den Steg des Bootes zu, als ihm plötzlich eine Gestalt den Weg versperrte. Sie war so unvermittelt vor ihn getreten, dass er aufkeuchend einen Schritt zurücksetzte, während er sich fragte, warum seine Instinkte ihn nicht rechtzeitig gewarnt hatten. Offensichtlich waren sie doch nicht so empfindlich, wie er vermutet hatte. Dafür erreichte ihn nun ein Geruch nach Leder, Frau … und Muskat.
    Unweigerlich wusste Adam, wer vor ihm stand: eine Unsterbliche, in der ein nach Blut dürstender Dämon hauste. Eine Schwester im grausamsten Sinne.
    In ihm bäumte sich sein eigener Dämon bedrohlich auf, als wolle er sich auf jeden

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