Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
zufolge hätte er deutlich mehr Druck ausüben müssen, um mehr aus ihr herauszubekommen, als ihm lieb war. »Meine Aufgabe besteht also darin, einen meinesgleichen zu finden, der Anders’ ungeschriebene Regeln bricht. Wenn ich ihn habe, soll ich ihm dann gleich ein Ende bereiten?«
Das hatte Adam zwar keineswegs vor - einen von seiner Art auszulöschen, weil er es mit dem Opfern übertrieb, würde ihm zwar nichts ausmachen, aber es war eine Höllenarbeit. Außerdem geriet der Dämon jedes Mal in einen Wahnsinnsaufruhr, wenn er einen von ihnen ohne seine Erlaubnis tötete.Trotzdem interessierte es ihn, wie Anders mit dem Unruhestifter umzugehen gedachte, wenn er ihn erst einmal in den Fingern hatte.
»Sehen Sie …«, fing Adam an.
Genau in diesem Augenblick riss der Wind das Tuch von Esthers Kopf und wirbelte ihr einen rotblonden Schleier vor das Gesicht.
Wie Feuerfunken im Winterlicht.
Adam ertappte sich gerade noch rechtzeitig dabei, wie er die Hand ausstreckte, getrieben von dem Verlangen, sich an diesem Winterfeuer zu verbrennen. Stattdessen fing er geschickt das Seidentuch auf.
Esther stieß ein unerwartet vergnügtes Lachen aus, während sie ihr Haar mit den Händen zu bändigen versuchte. Was ihr jedoch nicht gelang, wie Adam voller Genugtuung feststellte. Eine lachende Esther mit zerzausten Haaren passte viel besser zu der Frau, die Adam in ihr erkannte, als die distanzierte Dienerin.
»So was aber auch«, rief sie. »Die bekomme ich bei diesem Wind im Leben nicht wieder unters Tuch.«
»Lassen Sie es doch einfach offen.«
»Damit ich aussehe wie eine wild gewordene Hexe? Lieber nicht. Dann kann ich mir ja auch gleich die Pumps abstreifen und mit den Füßen ins Wasser laufen. Danach sehne ich mich schon die ganze Zeit.«
»Ich halte Sie ganz bestimmt nicht davon ab.«
»Nein, so einer sind Sie nicht, was?«, flachste Esther zurück.
Unter Einsatz beider Hände gelang es ihr schließlich, das Haar zumindest aus dem Gesicht zu bannen. Zum ersten Mal sah Adam ihr Lächeln, frei und ungezwungen. Ehe er sich’s versah, erwiderte er es und streckte ihr das Tuch entgegen. Es war ein seltsam vertrauter Moment, als sie das Tuch nahm und dabei seine Finger streifte. Ihre Berührung fühlte sich genauso glatt und kühl an wie die Seide.
»Ich habe Sie gestern Abend am Klavier gehört«, sagte sie atemlos. »Ihr Spiel ist sehr intensiv, ich konnte mich nur schwerlich entziehen. Ich hätte nicht gedacht, dass Dämonen dazu in der Lage sind, so tief zu empfinden. Und das muss man doch, um so spielen zu können.« Esther biss sich auf die Unterlippe. »Ich meine natürlich nicht Dämon, sondern …. Ich meine …«
Adam schloss die Augen. Der Moment war vorbei.
Die Bestürzung deutlich ins Gesicht geschrieben, wich Esther zurück. Mit hastigen Bewegungen fasste sie das Haar im Nacken zusammen und schlang das Tuch darum. Dann standen sie beide schweigend voreinander, verwirrt über die Mauer, die so unvermittelt zwischen ihnen eingebrochen war - nur um sogleich wieder aufgerichtet zu werden.
»Was Ihre Frage anbelangt, wie Sie mit dem Übeltäter verfahren sollen, wenn Sie ihn gefunden haben … Anders wird sich darum kümmern«, setzte Esther noch deutlich aus den Takt gebracht nach. Ihr Blick wanderte zum Meer, und für einen Augenblick glaubte Adam, Sehnsucht aufflackern zu sehen. Doch da drehte sie sich bereits mit einer resoluten Bewegung
um und ging in Richtung Parkplatz davon. »Damit wäre meine Aufgabe wohl beendet, Sie wissen nun ja Bescheid.«
»Ja, sieht ganz so aus.«
Obwohl alles in ihm danach schrie, sie notfalls mit einer Umarmung zum Bleiben zu bringen, folgte Adam ihr, wobei er sich exakt einen Schritt hinter ihr hielt. Sie drehte sich auch kein einziges Mal um oder forderte ihn auf, zu ihr aufzuschließen. Akzeptier es, redete er sich ein. Für sie bist und bleibst du ein seelenloser Dämon und kein Mann.Wie willst du ihr auch das Gegenteil beweisen? Schließlich hat sie Recht.
Diese Liebelei hat sich ja schneller erledigt, als ich erwartet habe, säuselte der Dämon voller Hohn.
Adam schwieg, den Blick auf den grauen Sand gerichtet, und verdrängte entschlossen, woran ihn dieser Farbton erinnerte.
10
Aas
Die Rückfahrt verlief schweigend, und Adam setzte Esther an einem Taxistand ab, weil sie zu Anders’ Haus wollte, während es ihn dazu drängte, einfach nur umherzufahren. Und die vornehmen Hills wollte er jetzt um keinen Preis sehen. Er konzentrierte sich auf das Schnurren
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