Nachtglanz - Heitmann, T: Nachtglanz
Augenblick, um Adam mit seiner gesamten Körpermasse einige Schritte abzudrängen, bis er mit dem Rücken hart gegen die Wand knallte. Mit einem Schlag wich ihm sämtliche Luft aus den Lungen, trotzdem gab Adam den Griff nicht auf.
»Lass los, oder ich zerdrücke dich wie eine Fliege an der Wand«, warnte Otis und stemmte sich bereits nach hinten, um seine Drohung wahrzumachen.
Doch Adam war schneller: Er riss Otis’ Arm ein Stück nach oben, bis der seinen Widerstand aufgab. Dann umrundete er den vor Schmerzen grunzenden Mann und keilte ihm in den Magen. Als Otis auf die Knie zu sinken drohte, packte Adam ihm ins wirr abstehende Haar und schlug ihn mit der Stirn mehrmals auf den Waschbeckenrand, bis sich ein Sprung im Porzellan auftat, in den sogleich blutige Schlieren einsickerten.
Im Hintergrund schluchzte die Frau wie ein kleines Kind, aber Adam hatte in diesem Augenblick nur Aufmerksamkeit für eine andere Stimme.
Meins , hauchte der Dämon beim Anblick des Blutes.
»Du willst ihn?« Ein kaltes Lächeln breitete sich auf Adams Gesicht aus. »Du kannst ihn haben. Nichts lieber als das.«
Mit festem Griff packte er den Mann vorn am Hemd, bevor der endgültig in sich zusammensank. Während er nach dem Rasiermesser auf der Ablage griff, sah er im Spiegel die Frau an. Ihr Gesicht war nicht mehr als eine mit dunkelroten Flecken übersäte Maske des Entsetzens. Unschlüssig setzte sie einen Schritt auf Adam zu und streckte die Hand nach ihm aus. Er
hätte nicht sagen können, ob sie auf ihn einschlagen oder ihn einfach nur berühren wollte, weil sie ihn für einen herbeigebeteten Racheengel hielt.
Unterdessen begann Otis, sich wieder zu regen, was Adam mehr als lieb war. Der Dämon mochte es nicht, wenn seine Opfer bewusstlos waren, bevor er überhaupt richtig angefangen hatte, ihnen das Leben zu nehmen. Und in diesem Fall war Adam ganz seiner Meinung.
»Mach, dass du rauskommst«, sagte er zu der Frau. »Und komm erst wieder, wenn die Polizei bereits eingetroffen ist. Dann erzählst du ihnen einfach von einem Raubüberfall, der außer Kontrolle geraten ist. Witwen weisen sie nicht aus, vor allem keine schwangeren.«
Die Frau rang ihre Hände, und einen Moment lang befürchtete Adam, sie könnte zusammenbrechen. Da straffte sie jedoch ihre Schultern und hielt auf die ramponierte Tür zu.
»Danke«, flüsterte sie, ohne ihn dabei anzusehen.
Adam wog noch einmal das Rasiermesser in seiner Hand.
Otis blinzelte ihn durch tränende Augen an, während seine Lippen eine weitere Verwünschung ausstoßen wollten. Allerdings kam Adam ihm zuvor. »Fütterungszeit«, sagte er, zwang den Kopf des Mannes in den Nacken und setzte die Klinge an dessen Halsschlagader an.
Es brauchte nur eine rasche Bewegung, und der Dämon frohlockte in einer Stimmenvielfalt, die kein Orchester der Welt übertreffen konnte.
11
Die Dienerschaft des Herrn
Es war nie verkehrt, wenn er auf seine Instinkte vertraute.
Auch dieses Mal wurde Adam nicht enttäuscht, als er sich dazu entschloss, nicht auf direktem Weg Anders’ Grundstück zu betreten. Zuerst einmal wollte er seine Neugierde befriedigen, die dieses hinter unauffälligem Grün verborgene Revier weckte. Dabei ging es allerdings nicht bloß um Wissensdurst, sondern auch um eine gewisse Eitelkeit, die er sich nur ungern eingestand.Ausgelöst wurde sie von dem ausgeklügelten Alarmsystem, mit dem Anders unwillkommene Gäste fernhalten wollte. Solche Grenzen erkannte Adams Instinkt nicht an. So bereitete es ihm ein Heidenvergnügen, als er in das wohlbehütete Revier eindrang und darin herumstromerte, die Ohren gespitzt, in der Hoffung, auf etwas Interessantes zu stoßen.
Was er schließlich auch tat:Anders’Torwächter Benson kreuzte seinen Weg, ohne dass dieser ihn entdeckte. Wenn Adam wollte, gelang es ihm, im Dickicht regelrecht unsichtbar zu werden, was ihm vor allem während seiner Zeit in Kambodscha viele Vorteile verschafft hatte. Es kostete ihn einiges an Überwindung, den ahnungslosen Mann an sich vorbeiziehen zu lassen, ohne ihm einen kräftigen Schrecken einzujagen. Denn wenn Adam ehrlich zu sich war, musste er zugeben, dass er es vermutlich nicht bei einem Schrecken belassen hätte. Mit seiner sturen Art war Benson ihm gegen den Strich gegangen,
aber das war noch lange kein Grund, die grausame Seite seines Jagdinstinkts zu wecken.
Also flanierte Adam weiter durch die Dunkelheit, den vielfältigen Geräuschen des nächtlichen Gartens nachhängend, während sich ein
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