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Nachtglut: Roman (German Edition)

Nachtglut: Roman (German Edition)

Titel: Nachtglut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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bildete sich zwischen ihren Augenbrauen, als sie wieder zu schreiben begann.
    Als sie Jack den Block hinhielt, sagte dieser: »Nein, es hat nichts mit den vergifteten Kühen zu tun, sondern ist etwas viel Schlimmeres.«
    »Da komm ich nicht mehr mit«, sagte Ezzy. »Was ist das für eine Geschichte von vergifteten Kühen?«
    »Ach, die hat keine Bedeutung mehr«, winkte Jack ab.
    Dieser kurze Dialog erhöhte nur Annas Verwirrung und Besorgnis.
    Jack Sawyer drückte ihre Hand. »Mach dir keine Sorgen, Anna.« Er sah Ezzy an, zögerte einen Moment und sagte dann: »An dem Tag, als Sie ins Dairy Queen kamen und mit Delray sprachen, hab ich mir beinahe in die Hosen geschissen.«
    »Ich hab Sie nicht erkannt, Johnny. Sie waren ein Mann geworden. Aber selbst wenn ich Sie erkannt hätte, hätte es keine Rolle gespielt. Ich hab die Verbindung erst gestern hergestellt.«
    »Und ich dachte, Sie trügen seit zweiundzwanzig Jahren einen Haftbefehl gegen mich rum.«
    »Nein.«
    Jack sah Anna an und berührte ihre Wange. »Ich hab eine Menge riskiert, als ich nach Blewer zurückkam, aber ich – mußte einfach. Solange Carl im Gefängnis war, hat mein Gewissen keinen Mucks getan. Er hatte die Strafe verdient, die er für den Mord an dem Polizisten bei dem Überfall in Arkadelphia absaß. Aber als ich hörte, daß er aus dem Gefängnis ausgebrochen war, wußte ich, daß ich nach Blewer zurückkommen mußte für den Fall, daß er versuchen sollte, seine Drohung gegen Delray in die Tat umzusetzen.«
    Anna machte ein schnelles Handzeichen.
    »Warum?« sagte Jack. »Weil es meine Schuld war, daß Carl diese Drohung ausstieß. Delray lastete Carl etwas an, was er nicht getan hatte. Er glaubte, seine Stiefsöhne wären für den Tod eines Mädchens namens Patsy McCorkle verantwortlich. Aber das stimmte nicht. Und ich wußte es.«
    Erschrocken schaute sie hoch. Dann flog ihr Blick zu Ezzy. Der senkte die Augen auf seine Hände, die locker gefaltet in seinem Schoß lagen. Der schreckliche Druck, der ihn beinahe ein Vierteljahrhundert lang belastet hatte, begann zu weichen.
    »Weißt du, Anna«, begann Jack, »meine Mutter hat mich praktisch allein großgezogen. Mein Vater gab nur gelegentlich mal ein kurzes Gastspiel, und immer, wenn er auftauchte, krachte es. Er kam volltrunken nach Hause, und sie machte ihm Vorwürfe. Gelegentlich ließ er sich mit der Frau eines anderen erwischen. Dann folgten Prügeleien. Sie weinte. Er protzte vor ihr mit seinen Erfogen bei anderen Frauen. Es gab fürchterliche Szenen.«
    Jack schwieg einen Moment. Ezzy sah die Qual in seinen Augen bei der Erinnerung an diese unglücklichen Zeiten. »Ich will dich nicht mit Einzelheiten langweilen. Der langen Rede kurzer Sinn: Mein Vater war ein Taugenichts. Ein lausiger Ehemann und ein Rabenvater. Aber du solltest kein Mitleid mit meiner Mutter haben. Sie hat es sich gefallen lassen, hat sich für dieses Leben entschieden. Ihr Unglück hat sie noch mehr geliebt als ihn oder mich…« Nachdenklich kaute Jack auf seinen Lippen.
    »Nach ihrem Tod kam ich in eine Pflegefamilie. Mein Vater kümmerte sich nicht weiter um mich, bis er eines Tages beschloß, mich zu sich zu nehmen. Aber nicht etwa aus Herzensgüte oder Sorge um mich. Ach wo, er wollte einen Kumpel haben, einen Laufburschen. Er erhielt Arbeit bei einer Ölgesellschaft und wurde hierher, nach Blewer, geschickt. Dabei verdiente er ziemlich gut. Das Leben war nicht schlecht.« Wieder hielt er inne.
    »Es wurde sogar richtig lustig. Das Leben mit meiner Mutter war nichts als Trübsal und Plackerei gewesen. Bei meinem Vater hörten die Partys gar nicht mehr auf. Die meisten Leute hielten uns für Brüder. Er wirkte zu jung, um mein Vater zu sein – er war zu jung, ein Vater zu sein, außer biologisch.« Anna und Ezzy lauschten aufmerksam.
    »Das Wort ›Disziplin‹ kannte er nicht. Ich konnte tun und lassen, was ich wollte, und nachdem ich bei ein paar Pflegefamilien gelebt hatte, genoß ich diese Freiheit. Er hat mich nie gezwungen, zur Schule zu gehen. Die Schulbeauftragte,
die einmal zu uns kam, weil ich ständig schwänzte, hat er so eingewickelt, daß sie noch am selben Nachmittag bei ihm im Bett landete.« Jack gab eine Art Grunzen von sich.
    »Jeden Abend ist er losgezogen und hat mich fast immer mitgenommen. Zum fünfzehnten Geburtstag schenkte er mir eine Nacht mit einer seiner Freundinnen. Danach teilten wir uns die Frauen ungefähr mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie eine Tafel Schokolade.

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