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Nachtglut: Roman (German Edition)

Nachtglut: Roman (German Edition)

Titel: Nachtglut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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wiederholte die Fragen – aber sie beachtete ihn nicht, sondern setzte sich an den Schreibtisch, beendete ihr Programm und schaltete den Computer aus.
    Entschlossen, sich nicht abwimmeln zu lassen, berührte er ihren Arm. »Waren Sie das?«
    Sie zeigte auf ihre Armbanduhr, legte ihre Hände aneinander, hielt sie schräg und neigte ihren Kopf zu ihnen hinunter.
    »Ah ja, husch ins Körbchen«, sagte er verdrossen. »Sie machen sich’s leicht! Nur damit Sie meine Fragen nach der Frau auf dem Foto nicht beantworten müssen. Von der ich hoffentlich heute nacht die geilsten Träume haben werde.«
    Natürlich bekam sie, genau wie von ihm beabsichtigt, nichts von alledem mit. Sie brachte ihn hinaus zur Haustür,
wo sie zur Seite trat, um ihn zu verabschieden und dann hinter ihm abzusperren.
    Jack ging an ihr vorbei, doch bevor sie die Tür schließen konnte, sagte er: »Beinahe hätte ich den Anlaß dieser Sitzung vergessen. Sie möchten nicht, daß David mir die Zeichensprache beibringt, richtig?«
    Sie nickte.
    »Weil das Ihre Geheimsprache ist. Wenn die anderen nicht verstehen, was Sie sagen, haben Sie die Kontrolle. Sie fühlen sich überlegen. Und Sie reiben es den Leuten gern unter die Nase, daß Sie gehörlos sind. Das macht Sie zu etwas Besonderem.«
    Empört schüttelte sie den Kopf und widersprach mit zornigen Gebärden, die, vermutete er, mit Anwürfen gegen ihn gespickt waren.
    »Ja, genau das hab ich mir gedacht«, sagte er, obwohl er nichts verstanden hatte. »Na schön, ich werde David nicht mehr darum bitten … schließlich soll er ja nicht meinetwegen Ärger kriegen.«
    Sie nickte kurz, zufrieden, daß sie gesiegt hatte.
    Aber gerade als sie die Tür schließen wollte, klopfte Jack mit dem Absatz seines Stiefels leicht auf den Holzboden der Veranda und sagte in perfekten Handzeichen: »Gute Nacht, Anna!«

12
    E zzy erwachte um halb fünf wie immer. Der Ruhestand hatte seine innere Uhr nicht umgestellt und seine Schlafgewohnheiten nicht geändert. Doch die Tage, die früher von Arbeit ausgefüllt gewesen waren, dehnten sich jetzt leer und endlos. Die meisten Leute rackerten sich jahrzehntelang ab, um endlich diesen Punkt im Leben zu erreichen  – Ezzy konnte nicht verstehen, warum. Es ging über seinen Horizont, daß irgend jemand nach Nutzlosigkeit streben sollte.
    Cora hatte es sich in den Kopf gesetzt, daß sie sich einen Winnebago kaufen und auf große Fahrt quer durchs Land begeben sollten. Es gab ja auch einige Punkte auf der Karte, die lockten: der Grand Canyon, die Tetons, die Niagarafälle. Neuengland im Herbst. Aber er hatte nicht die geringste Lust auf die ewige Fahrerei, die so eine Reise mit sich brachte.
    Sie hatte auch von einer Kreuzfahrt gesprochen. Er konnte sich nichts Grausigeres vorstellen, als mit einem Haufen fremder Leute auf einem Schiff festzusitzen und sich von einer hyperaktiven Crew, die auf Teufel komm raus die Passagiere beglücken wollte, zu Aktivitäten animieren zu lassen, die ihm überhaupt keinen Spaß machten. Er hatte die farbenprächtigen Kataloge, die Cora ihm immer wieder unter die Nase hielt, demonstrativ ignoriert.
    Aber mit der Zeit würde sie ihn doch mürbe machen. Das schlechte Gewissen würde ihn zwingen, klein beizugeben. Urlaub war ihm nicht wichtig, darum hatte er ihn nie vermißt. Aber Cora legte Wert darauf. Früher oder später
würde er mit ihr den Traumurlaub machen müssen, nach dem sie sich immer schon sehnte.
    Jedenfalls hoffte er, es möglichst lange hinauszögern zu können. Er bildete sich ein – was wirklich lächerlich war –, daß er Blewer jetzt noch nicht verlassen dürfe. Obwohl er offiziell im Ruhestand war, bereits ein neuer Mann seinen Posten übernommen hatte und im Sheriff’s Office von Blewer County auch ohne ihn alles bestens zu laufen schien, bedrängte ihn das beinahe unheimliche Gefühl, daß seine Arbeit noch nicht getan war.
    Natürlich machte er sich etwas vor. Er suchte nach Zeichen und Omen, die er sich nach Belieben zurechtbiegen konnte. »Verrückt bin ich, sonst nichts«, brummte er auf dem Weg in die Küche vor sich hin.
    Nachdem er sich Kaffee gemacht hatte, setzte er sich mit seiner Tasse hinaus auf die Rotholzveranda, ein Geschenk, das ihnen die Kinder vor einigen Jahren zu Weihnachten gemacht hatten. Selbst so früh am Morgen, noch vor Sonnenaufgang, stand das Außenthermometer schon auf fast siebenundzwanzig Grad. Der Mond hing tief über dem westlichen Horizont. Kein Wölkchen trübte den Himmel. Es

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