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Nachtglut: Roman (German Edition)

Nachtglut: Roman (German Edition)

Titel: Nachtglut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Fachleuten.
    Jack las gerade genug, um gründlich in Verwirrung zu geraten. Aber er lächelte, als er sich eine Tafel des Fingeralphabets ansah und feststellte, daß David ihm die richtigen Zeichen gezeigt hatte, um seinen Namen zu bilden.
    Es gab auch mehrere Seiten mit Abbildungen geläufiger Redewendungen. Er probierte einige von ihnen aus und lächelte wieder, als er sah, daß Anna in der Tat ›Danke‹ angezeigt hatte und nicht irgendeine Beschimpfung.
    Er war dabei, einige der grundlegenden Zeichen zu üben, als Anna zurückkam. Sie ging schnurstracks auf ihn zu, nahm ihm das Buch aus der Hand, klappte es energisch zu und stellte es wieder ins Regal.
    Mehr verwundert als verstimmt über ihre Unhöflichkeit, blieb er einen Moment ratlos stehen, während sie sich an den Schreibtisch setzte und mit der Computermaus herumfuhrwerkte, bis sie einen leeren Bildschirm hatte. Dann begann sie zu tippen. Da er vermutete, daß sie ihm etwas mitteilen wollte, zog er einen Stuhl an den Schreibtisch heran und setzte sich so, daß er den Bildschirm und sie sein Gesicht sehen konnte, um von seinen Lippen abzulesen.
    Auf dem Bildschirm stand: »Warum haben Sie sich von David die Zeichensprache zeigen lassen?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich wollte sie lernen.«
    Sie tippte so schnell, daß sein Blick ihren Fingern nicht folgen konnte. »Warum?«
    Die Antwort war doch naheliegend. Wieder zog er die Schultern hoch. »Was ist daran so schlimm?«
    »Sie brauchen die Zeichensprache nicht zu lernen. Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, können Sie es mir über David oder Delray mitteilen.«
    Sein Blick wanderte vom Bildschirm zu ihr. »Ach so, jetzt versteh ich. Sie wollen mich wissen lassen, daß wir einander wirklich nichts zu sagen haben.«
    Sie nickte knapp.
    »Wieso das? Wann sind Sie denn zu dem Schluß gekommen, daß ich zum Gespräch nicht tauge?«
    Ihre Finger flogen über die Tasten. »Reden Sie nicht mit mir, als wäre ich blöd. Ich bin taub, nicht…«
    Jack hielt ihre Hände an. Dann machte er das Zeichen, das er bei ihr gesehen und das David nicht verstanden hatte. ›Dumm‹. »Ich weiß.«
    Er spürte die Turbulenzen hinter dem Blick der erstaunlichen blauen Augen. Immerhin hatte er genug Ahnung von Psychologie, um zu begreifen, daß Anna Corbett eine Frau war, die anzugreifen pflegte, bevor sie selbst angegriffen werden konnte. Es war ein verständlicher Schutzmechanismus. So wie die Menschen nun einmal sind, war Anna in der Schule zweifellos von ihren Mitschülern gehänselt worden. Selbst wohlmeinende Erwachsene konnten tölpelhaft und taktlos sein. Sie wehrte sich gegen Ignoranz und Grausamkeit, indem sie zuerst zuschlug.
    »Kein Mensch würde Sie für dumm halten«, sagte er zu ihr. »Sie sind was ganz anderes. Sie sind ein…« Er streckte den Arm aus und tippte mit zwei Fingern das Wort ›Snob‹.
    Sie stieß seine Hand weg und wollte den Computer ausschalten.
    »Kommt nicht in Frage!« Wieder hielt er ihre Hände fest. »Das ist zu einfach. Sie werden mir jetzt zuhören… ich meine, Sie werden Ihre Ohren aufsperren und – ach, verflixt, Sie wissen, was ich meine!«
    Er machte eine Pause, um Luft zu holen und seine Gedanken zu ordnen. Sie sah ihn mit offener Feindseligkeit an – aber er fand, ihre Gehörlosigkeit gebe ihr noch lange nicht das Recht, unhöflich zu sein. Oder sollte es ihr erlaubt sein, ihn unter Beschuß zu nehmen, nur weil sie nicht hören konnte?
    »Sie fühlen sich anscheinend ständig angegriffen, weil Sie gehörlos sind. Ich war immer freundlich zu Ihnen, vom ersten Moment an. Und Sie behandeln mich wie den letzten Dreck. Können Sie mir mal erklären, warum? Weil ich hören kann und Sie nicht?«
    Zornig schüttelte sie den Kopf.
    »Warum dann?«
    Sie tippte: »Weil ich Angst habe.«
    Jack war bestürzt. Kaum etwas hätte ihn mehr überraschen oder tiefer verletzen können. »Sie haben Angst?«
    Ihr Blick löste sich von seinen Lippen und glitt zu seinen Augen hinauf. Dann sah sie wieder auf den Bildschirm. »Ich habe Angst, daß es für David sehr schlimm sein wird, wenn Sie wieder fortgehen. Und für Delray auch.«
    Jack lächelte ein wenig ironisch. »Ich bin doch gerade erst angekommen – und denke nicht ans Fortgehen.«
    »Aber eines Tages werden Sie gehen«, tippte sie.
    Sie sah ihn mit irritierender Intensität an, doch er antwortete aufrichtig. »Ja, eines Tages schon.«
    Sie tippte einen kurzen Satz. »Und wenn Sie gehen, sind die beiden traurig.«
    »Warum sollten sie

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