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Nachtglut: Roman (German Edition)

Nachtglut: Roman (German Edition)

Titel: Nachtglut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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glaub, jetzt hab ich’s.«
    Sie wünschte ihm mit einem kurzen Zeichen gute Nacht und lief wie gejagt den Mittelgang des Stalls hinunter. Jack folgte ihr bis zum breiten Tor und blieb dort stehen, während sie den Hof überquerte, als säße ihr der Teufel im Nacken.
    Er lehnte sich an den Torpfosten und wünschte sich inbrünstig einen kühlen Luftzug. Ein Schweißtropfen rollte von seiner Schläfe hinunter zu seiner Augenbraue. Sein Herz klopfte zum Zerspringen. Obwohl er gerade ein kaltes Bier getrunken hatte, waren seine Kehle und sein Mund wie ausgedörrt. Um keinen Preis hätte er jetzt auch nur ein Tröpfchen Speichel erzeugen können.
    Seine Hände und Finger waren von jahrelanger schwerer körperlicher Arbeit so schwielig, daß es ihn nicht gewundert hätte, wenn die Nerven dort abgestorben wären. Aber sie jagten Empfindungen in sein Gehirn hinauf, die prickelnde Erinnerung an ihre Berührung waren und ihn bedauern ließen, daß das Alphabet nur sechsundzwanzig Buchstaben hatte. Sie hätte die ganze Nacht lang mit seiner Hand spielen können, und ihm wäre nicht ein Laut des Protests entschlüpft.
    Er war erregt und atmete keuchend, und die Frau, die ihn in diesen Zustand versetzt hatte, war Delray Corbetts Schwiegertochter. Letzte Woche um diese Zeit hatte er noch nicht einmal gewußt, daß sie existierte. Heute aber schien sie ihm die begehrenswerteste Frau der Welt. Anna Corbett. Delray Corbetts Schwiegertochter.
    Jack schloß die Augen und atmete einmal ganz tief durch, ließ auf dem Luftstrahl eine Verwünschung mit ausströmen. Immer noch an den Torpfosten gelehnt, hämmerte er seinen Kopf einmal hart gegen das alte Holz.
    Verdammt, hatte das Schicksal doch wieder zugeschlagen!
    Als er schließlich die Augen öffnete und sich aufmachen wollte, wieder in den Stall zu gehen, sah er zufällig zum ersten Stock des Hauses hinauf.
    Einen Moment lang blieb er still stehen und schaute nur. Dann flüsterte er: »Ach, du Scheiße!«

14
    A uf dem Briefkasten hieß es ›Mr. und Mrs. G. R. Bailey‹. Das Haus stand ein gutes Stück von der Straße zurück unter dichten Bäumen. Es war ein großes Haus mit zwei Schornsteinen, einem Blitzableiter und einer Satellitenschüssel auf dem Dach. Mehrere Nebengebäude, unter ihnen ein Stall und ein Pumpenhaus, umgaben es. Es war zwar stockdunkel, aber Carl Herbold hatte den Eindruck, es sehe alles sehr sauber und gepflegt aus und zeuge von ländlichem Wohlstand.
    Er warf Myron einen Blick zu. »Was meinst du?«
    »Wozu?«
    »Heiliger Strohsack!« brummte Carl gereizt. Ohne sich weiter um Myron zu kümmern, steuerte er den Wagen in die Einfahrt.
    Man mußte es Cecil lassen: Der Fluchtwagen hatte genau am vereinbarten Ort gewartet. Er hatte ihn in erstklassigem Zustand vorgefunden, vollgetankt und startbereit. Im Kofferraum lagen ein Koffer mit Kleidern und vierzig Dollar in bar, mehrere Handfeuerwaffen mit reichlich Munition und ein paar Flaschen Whisky, die er und Myron zur Feier ihrer gelungenen Flucht geleert hatten.
    Einige Tage lang kampierten sie an einem See und erholten sich von ihrem Kater. Sie hatten im Auto übernachtet und sich tagsüber draußen in die Sonne gelegt. Carl jedenfalls. Myrons Haut vertrug keine Sonne, er zog deshalb den Schatten von Bäumen vor.
    Nach Jahren im Bau, wo man jeden Tag nur kurze Zeit in den Hof hinaus durfte, war es ein Hochgenuß gewesen, wieder
in der freien Natur zu sein. Aber alle Begeisterung hatte ihre Grenzen, und die von Carl hatte die ihren an diesem Morgen erreicht, als ihn das Rumoren eines Gürteltiers unter ihrem Auto aufweckte und er dann auch noch eine Zecke in seinem Schamhaar entdeckte.
    Es war Zeit, sich ein Dach über dem Kopf zu suchen. Gleich morgens hatten sie sich auf den Weg gemacht, waren den ganzen Tag herumgekurvt, immer auf kleinen Straßen, wo die Gefahr, einer Streife auf der Suche nach den entflohenen Häftlingen zu begegnen, geringer war als auf den großen Durchgangsstraßen.
    Für Carl bedeutete es jedesmal einen Kitzel, wenn er seinen Namen im Autoradio hörte.
    Er wünschte, seine Mutter lebte noch und bekäme das alles mit. Die Augen würde sie sich ausheulen. Das hatte sie immer am besten gekonnt. In seinen frühesten Erinnerungen sah er sie unweigerlich mit rot verschwollenen Augen und Schniefnase, ein durchweichtes Kleenex an den Mund gepreßt, ewig jammernd, sie wisse nicht, wie sie mit ihnen fertig werden solle – mit ihm und Cecil.
    An seinen Vater konnte er sich nicht erinnern. Er war

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