Nachthaus
zusammengewürfelte Sterne, sodass eine stumme, inbrünstige, bunte Fröhlichkeit das Erdreich des dämmerigen Waldbodens leuchten ließ …
* * *
Martha Cupp
Sie war sich nicht sicher, was schlimmer war: das schauerliche Ding, das aus dem Sofa herausgeschossen und dann verschwunden war und zerrissenen Möbelstoff und herumfliegendes Rosshaar zurückgelassen hatte – oder Ednas Gesichtsausdruck. Der besagte unmissverständlich: »Ich habe es dir doch gleich gesagt.« Dass ihr Glaube an eine Invasion dämonischer Kraft durch den bizarren Zwischenfall bekräftigt wurde, schien ihr Zufriedenheit zu verschaffen. Nun, wenn sie es sich recht überlegte, war Ednas selbstgefälliger Gesichtsausdruck bei Weitem das Schlimmere der beiden Übel, denn wenn sich das Scheusal im Sofa noch einmal zeigte, konnte Martha immerhin erbarmungslos darauf einschlagen, aber auf ihre Schwester konnte sie schließlich nicht mit einem Schürhaken losgehen.
Edna hielt die Schleppe ihres Abendkleides immer noch hoch, damit sie den Boden nicht berührte, und verkündete: »Ich bin mir sicher, wenn Pater Murphy diese abscheuliche Kreatur gesehen hätte, wäre ihm vollkommen egal, ob ich an Bigfoot oder an Astronauten aus der Vorzeit glaube. Er würde Weihwasser, das gesegnete Öl und Salz hervorholen und augenblicklich mit lauter Stimme das Gebet gegen das Böse anstimmen.«
Martha wusste, dass sie den Anschein erwecken würde, sie stimme ihrer Schwester in diesem Punkt zu, wenn sie den Schürhaken weiterhin in Bereitschaft hielt, aber, verdammt noch mal, sie dachte gar nicht daran, ihn hinzulegen, ein Glas warme Milch zu trinken und ins Bett zu gehen. Sogar dann, wenn Edna Pater Murphy aufforderte, nicht an einer Person, sondern an einem Ort eine Teufelsaustreibung zu vollziehen, und selbst wenn er einwilligen sollte, eben dies zu tun, würde Martha während des gesamten Rituals bereitstehen, um mit diesem angenehm schweren Messingwerkzeug auszuholen.
»Was machen wir als Nächstes?«, fragte Edna.
»Wie meinst du das?«
»Außer Pater Murphy verständigen«, sagte Edna. »Was sollen wir tun, worauf sollten wir gefasst sein und wie sollten wir uns darauf vorbereiten?«
»Vielleicht passiert gar nichts mehr.«
»Etwas wird passieren«, sagte Edna zuversichtlich, ja fast fröhlich, als sei eine Dämonenplage genau das Richtige, um den Trübsinn eines regnerischen Dezemberabends zu bekämpfen.
Ehe Martha etwas darauf erwidern konnte, überspülte eine leuchtende Flut schimmernden, knisternden blauen Lichts den Fußboden. Sie schien in einem intensiv leuchtenden Nebel zu stehen.
Der Schürhaken reagierte darauf, als sei er eine Wünschelrute und sie ein Rutengänger auf der Suche nach Grundwasser. Er riss sich fast aus ihrer Umklammerung los. Sie hielt ihn fest, aber der Schürhaken zog ihren Arm mit einem Ruck nach unten und seine Spitze durchbohrte die gespenstische Helligkeit.
Gleichzeitig kippte das übrige Kaminbesteck samt Ständer, in dem die Werkzeuge vor dem Kamineinsatz standen, nicht einfach um, sondern knallte mit einer solchen Wucht in das Licht, als würde es von einer ungeheuren Kraft angezogen. Die Bläue um Martha herum zog sich zurück, flatterte durch den Raum, schien das verzierte Kamingitter in den Kamineinsatz zu saugen, zog knisternd den Schornstein hinauf und war verschwunden.
* * *
Sally Hollander
Sally lag auf dem Küchenboden und fühlte, wie die letzten ihrer Knochen vor der Kälte kapitulierten, die sich in ihr ausbreitete. Jetzt zeichnete sich in der Wärme ihres Fleischs deutlich ein Skelett aus Eis ab. Bisher hatte sie ihre Physiologie noch nie so bewusst wahrgenommen. Obwohl sie im Moment nach wie vor gelähmt war, kannte sie die exakte Position jedes ihrer zweihun dertsechs Knochen und die exakte Form der diversen Platten, die zusammengeschweißt waren, um ihren Schädel zu bilden. Sie war sich jedes Gelenks bewusst: der Kugelgelenke in Schultern und Hüften, des Atlantoaxialgelenks in ihrem Nacken zwischen dem ersten und zweiten Halswirbel, der eleganten Ellipsoiden ihrer Handgelenke, der wunderbar zweckmäßigen Scharniergelenke in ihren Fingern, Ellbogen und Knien. Sally war in der Lage, die Synovialhäute um ihre Gelenke herum zu fühlen, und sie nahm deutlich die klebrige, zähe Flüssigkeit wahr, die ihre Gelenke schmierte. Sie fühlte die Fasern aller stützenden Bänder, die verbindenden Sehnen und die Muskeln, die bereit waren, das gesamte Skelett bei Bedarf in Bewegung zu setzen. Es war,
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