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Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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fort. Niemand konnte in den wenigen Minuten, seit er das letzte Mal hier gewesen war, all seine Sachen gestohlen haben.
    Die Möbel mussten dahin verschwunden sein, wo auch der tote Jerry und Vernon Klick waren. Er wollte nicht wissen, wo das war. Er wurde aus dieser Situation einfach nicht schlau.
    Er stand mit der Pistole in der Hand in seinem Schlafzimmer, aber es gab niemanden, den er erschießen konnte. Diese neue Realität, diese miese Realität, war überall um ihn herum. Sie war außer Kontrolle geraten, und er wollte sie dazu bringen, dass sie bei Fuß ging. Was hatte sie mit »Würgehalsband« gemeint? Was hatte sie mit »Leine« gemeint? Was hatte sie mit »bei Fuß gehen« gemeint? Damals hatte das alles so tiefgründig und gescheit und wahr geklungen. Aber die Realität war kein Hund, den man am Genick packen konnte.
    Unter den Intellektuellen ihrer Zeit war sie die mit den meisten Bewunderern gewesen. Also musste sie recht gehabt haben. Der Fehler musste bei Mickey liegen. Er war zu dumm, um sie zu verstehen.
    Er musste schärfer darüber nachdenken. Vielleicht sollte er sich für vierundzwanzig Stunden in einem Kleiderschrank einschließen, mit nichts weiter als einem Einmachglas, das er als Toilette benutzen konnte. Vielleicht würde das Ordnung in seinem Kopf schaffen und die bessere Realität würde wieder da und diese schlechte Realität verschwunden sein, wenn er herauskam. Vielleicht. Aber er hatte ja noch nicht mal ein Einmachglas.
    * * *

Julian Sanchez
    Die meisten Menschen leben in einem rauschenden Fluss von Bildern. In einem Fluss, der ständig Flut führt, mit wogenden Strömungen von Farben, fließenden Harmonien von Formen und gelegentlichem Chaos von Stromschnellen. Sie lassen sich von dieser Sturzflut von Anblicken mitreißen, ohne sich viele Gedanken darüber zu machen oder überhaupt zu bedenken, wie sich das auf ihre Gedanken auswirkt, ihren Geist formt und die Route ihres Lebens von den Quellflüssen der Geburt bis hin zum Delta des Alters prägt. Wenn man den Input durch Sin neswahrnehmungen als digitalisierte Daten ansah, wurden fünfzig Prozent durch die Augen aufgenommen, so viel wie durch die anderen vier Sinne miteinander.
    Im Laufe von vierzig Jahren tiefster Nacht hatte Julian Sanchez die Welt vor allem durch die Formen und Strukturen wahrgenommen, über die seine empfindlichen Fingerspitzen glitten, und durch die unablässige Musik des Lebens, die zeitweilig nichts weiter als das zarte, arhythmische Prasseln des Regens sein konnte, der gegen das Fenster geweht wurde, und zu anderen Zeiten die Symphonie einer geschäftigen Straße in einer Großstadt. Er war so geräuschempfindlich, dass er mehr als jede zweite surrende Fliege, die ihn belästigte, in der Luft fangen und mit seiner Faust umschließen konnte.
    Er stand in seiner Küche in Apartment 1-A, trank Kaffee aus einem Becher und lauschte dem Unwetter durch das Fenster, das er ein paar Zentimeter weit geöffnet hatte, als um ihn herum ein elektronisches Kreischen ertönte, das nichts ähnelte, was er jemals gehört hatte, und dessen Ursprung sich unmöglich bestimmen ließ. Mit diesem schaurigen Klagen ging das Rumpeln unter dem Gebäude einher, das er im Lauf des Tages schon gehört hatte. Beim ersten Mal hatte er im Wachraum angerufen, um sich zu erkundigen, was los sei.
    Als beide Geräusche nachließen, wusste Julian sofort, dass etwas Wichtiges vorgefallen war. Das Trommeln des Regens, der schräg auf das Glas traf, das Rauschen und Gluckern von Wasser, das in der Nähe seines Küchenfensters durch ein Fallrohr herabstürzte, das Rascheln von nassem Laub, das die Bäume im Innenhof von sich gaben, und all die anderen Stimmen im Chor des Sturms verstummten augenblicklich. Das Surren des Kühlschranks, das Schäumen der Spülmaschine, das dumpfe Dröhnen des Eisbereiters, das schwache Ticken der Glaskanne, die sich auf der Warmhalteplatte der Kaffeemaschine ausdehnte und zusam menzog: Jedes vertraute Geräusch wurde mit dem weiterziehenden Unwetter weggeschwemmt und die Stille war anfangs tief.
    Auch die vertrauten Gerüche seiner Küche waren verschwunden. Kein Aroma von frisch gebrühtem Kaffee. Keine Rückstände des Kieferndufts, den das Reinigungsmittel zurückließ, obwohl seine Haushälterin, die zweimal in der Woche kam, an jenem Tag erst da gewesen war. Kein Zimtgeruch von den Frühstücksbrötchen in der Schachtel, die ganz in seiner Nähe auf der Anrichte stehen sollte.
    Durch den offenen Fensterspalt

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