Nachthaus
Haselsträuchern, Ginster und Hartriegel miteinander verflechten und die Sonne, die durch sie einfällt, ein goldenes Netz ist – das sichere und geheime Dickicht, wo Bambi geboren wurde.
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Bailey Hawks
Den ersten Stock suchten sie nicht gründlich ab, sondern unternahmen nur einen schnellen Rundgang. Bailey, Twyla, Winny, Sparkle, Iris und Kirby wohnten auf dieser Etage und waren voll ständig versammelt. Nach Angaben von Sparkle waren ihre unmittelbaren Nachbarn, die Shellbrooks aus 2- H , im Urlaub und das galt auch für die Cordovans in 2- E . Apartment 2-I stand leer und war zu verkaufen. Rawley und June Tullis in 2- D , die Besitzer des Topper’s, arbeiteten bis spät am Abend im Restaurant; beide waren bestimmt schon dort gewesen, als es zu dem Sprung kam.
Bailey rief wiederholt und erhielt keine Antwort. Er und Kirby stiegen die nördliche Treppe ins Erdgeschoss hinunter, wo sie in der Nähe der Tür zum Foyer drei Personen sahen, die alle durch den Flur auf sie zukamen. Bailey erkannte Padmini Bahrati und dann Tom Tran und Silas Kinsley im Regenmantel.
Vor den Toiletten, die in erster Linie von Gästen privater Feiern im Bankettsaal benutzt wurden, trafen die fünf aufeinander. Da das phosphoreszierende Licht der Pilze Bailey an Öllampen mit Glimmerlinsen erinnerte, deren Schein in einer bestimmten Grotte in der afghanischen Wüste, die von den Taliban als geheimes Waffenlager benutzt wurde, über die Sandsteinwände huschte, hatte er mehr denn je das Gefühl, hier handele es sich nicht nur um eine abenteuerliche Zeitreise, sondern auch um einen Krieg von langer Dauer, in den sie ohne ihr Zutun gestürzt worden waren. Bisher war seines Wissens keiner ihrer Leute hier gestorben, aber die feindlichen Attacken konnten jeden Moment beginnen. Nach ihrem gehetzten Gesichtsausdruck zu urteilen sahen Padmini, Tom und Silas das genauso.
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Winny
Er kriegte nicht mit, dass Iris fortging, bis er einen Blick dorthin warf, wo sie bisher gewesen war, und sah, dass sie bereits durch den Türbogen ans andere Ende des angrenzenden Zimmers gelangt war, eine verschwommene Gestalt, die sich durch Schleier aus diesem gespenstischen gelben Licht bewegte.
In den meisten Büchern, die Winny las, gab es immer einen Helden, manchmal auch mehr als einen. Selbstverständlich identifizierte er sich mit dem Helden und nicht mit dem Bösewicht. Es war einfach, ein Bösewicht zu sein, aber ein Held zu sein, fiel schwer. Winnie hatte schon vor einiger Zeit begriffen, dass der Weg zu Erfolg und Glück darin bestand, immer die schwierigere Herausforderung anzunehmen. Seine Mom liebte es, Songs zu schreiben, aber es war gar nicht einfach, den Text und die Melodie richtig hinzukriegen. Sie arbeitete lange an ihren Kompositionen und feilte daran herum, bis alles genau stimmte. Aber sie war glücklich und erfolgreich. Auf ihre Weise war sie wohl eine Heldin. Farrel Barnett, Winnys Dad, konnte man nicht direkt als Schurken bezeichnen. Er zog nicht durch die Gegend und sprengte Kirchen in die Luft oder zündete Welpen an, und er schlug auch keine alten Damen mit einer Axt tot. Aber er war sicher auch kein Held, weil er es sich zu oft zu leicht machte. Sich mit jeder Tussi, die ihm zuzwinkerte, nackt auszuziehen, war viel einfacher, als seiner Ehefrau treu zu sein. Winny hatte ihn manchmal gemeinsam mit seinen Kumpeln betrunken gesehen. Sich zu besaufen war so ziemlich das Einfachste, was man tun konnte. Und seinen Sohn vor anderen dafür zu verspotten, dass er nicht männlicher wirkte – das war auch einfach. Schwierig war es, derjenige zu sein, der fertiggemacht wurde, und es lächelnd über sich ergehen zu lassen. Ein Exemplar von seiner neuesten Autogrammkarte zu schicken war viel einfacher, als seinen Jungen zu besuchen und ihn vielleicht mal in einen Vergnügungspark mitzunehmen oder so. Winnys Dad war kein Bösewicht vom Schurkenkaliber, aber er war schon ein Stück weit dort drüben, auf der dunklen Seite. Wenn man erst mal dort drüben war, lief man eher Gefahr, tiefer abzurutschen. Winny wollte es sich nicht leicht machen, denn er wollte glücklich sein. Farrel Barnett war nicht glück lich, obwohl er berühmt und reich war und Millionen von Fans ihn bewunderten. Winny konnte sehen, wie unglücklich sein Dad war, und das machte ihn traurig und wütend, und es machte ihm Angst. Er dachte immer, seinem Alten würde etwas Fürchterliches zustoßen, und er wollte nicht sehen, was das sein könnte. Er war außerstande,
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