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Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Mutter gewisse Privilegien genoss, die vom Gesetz nicht anerkannt wurden, trug Mickey fast immer eine verborgene Waffe am Körper, manchmal mit aufgeschraubtem Schalldämpfer, manchmal ohne. Und da er stets gut vorbereitet war, trug er auch ein Ersatzmagazin mit sich herum, damit ihm die Munition nicht ausging.
    Er hatte eine Patrone benutzt, um seinen Bruder Jerry zu töten, und zwei weitere, um Vernon Klick umzulegen. Er hatte vier der blauen Bildschirme zerschossen, die ihn ständig ärgerten. Somit blieben ihm noch drei Patronen. Ehe er in den ersten Stock hinunterging, um sich von Dr. Ignis, dem Professor, eine Leine und ein Würgehalsband zu besorgen oder ihn zu töten, wie auch immer es ausgehen würde, tauschte Mickey das angebrochene Magazin gegen ein volles aus.
    Als er das erste Magazin in eine Tasche seines Sakkos gleiten ließ, fand er ein unbenutztes, in Folie eingeschweißtes feuchtes Reinigungstuch. Ein freudiger Schauer durchzuckte ihn und einen Moment lang besserte sich seine Laune. Die Welt war nicht durch und durch fremdartig und abweisend; endlich hatte er etwas gefunden, was noch stimmte.
    Er stand mitten in seinem schmutzigen unmöblierten Wohnzimmer und öffnete mit großer Sorgfalt die Verpackungsfolie. Der zitronige Duft war berauschend. Einen herrli chen Moment lang stand er da und genoss das köstliche Aroma.
    Behutsam zog er das feuchte Tuch schließlich heraus. Die leere Verpackung ließ er auf den Boden flattern. Das erinnerte ihn an ein Geisha-Mädchen, das er in Kyoto getötet hatte. Sie war eine schlanke junge Frau gewesen, und als er sie erschossen hatte, war sie wie dieses Tütchen auf den Boden geflattert.
    Er faltete das Tuch auseinander und der Geruch verbreitete sich, während er einen größeren Teil des Papiers der Luft aussetzte. Er hielt sich das Tuch unter die Nase und atmete tief ein.
    Zuerst rieb er sich damit über das Gesicht. Die Flüssigkeit, mit der das Tuch getränkt war, erwies sich als sehr erfrischend. Sie kühlte seine Haut und ließ sie sogar leicht prickeln, wie ein Aftershave, das man sofort nach der Rasur mit einem Rasiermesser aufträgt.
    Als Nächstes reinigte er sich die Hände. Er hatte nicht gemerkt, dass sie leicht klebrig waren, höchstwahrscheinlich von Vernon Klicks Leiche, die er in den Versorgungsraum gezogen hatte; der Mann nahm es mit der Körperpflege wohl nicht so genau. Als die zitronige Feuchtigkeit auf seinen Fingern verdunstete, fühlte sich Mickey gleich unermesslich viel besser.
    Wie wunderbar es war, daran erinnert zu werden, dass nur Sinneswahrnehmungen zählten, dass sie das Einzige waren, der eigentliche Zweck des Daseins. Da sich das Pendleton unerklärlicherweise verändert hatte, hatte Mickey die letzte halbe Stunde mit dem Versuch verbracht zu durchdenken, was passiert sein mochte, diesen ganzen Fragenkomplex von Ursachen und Wirkungen. Er hatte unaufhörlich herumgegrübelt, was er bloß tun sollte, und das war ihm, offen gestanden, alles zu viel gewesen, dieses ganze Denken, Denken, Denken und kein Fühlen . Seine Mutter konnte eine große Denkerin sein und hatte doch niemals vergessen, dass Sinneseindrücke alles waren. Mickey war schlicht und einfach nicht dazu gemacht, viel zu denken und trotzdem noch zu fühlen.
    Das schlaffe, trocknende Reinigungstuch bot jetzt einen traurigen Anblick, profan, nachdem so gut wie all sein Zauber verflogen war, fast so trostlos wie diese neue Welt. Er rollte es zu einer Kugel zusammen, hielt sie auf der rechten Handfläche und fragte sich, ob er es für etwas anderes nutzen, ihm noch mehr Sinneseindrücke entlocken könnte.
    Er vermutete, es könnte einen zitronigen Geschmack haben und es wert sein, dass man darauf herumkaute, doch er glaubte nicht, dass es ein Genuss wäre, es hinunterzuschlucken. Außerdem fiel ihm dann ein, dass es, da er sich die Hände daran abgerieben hatte, Spuren von Vernon Klicks Schmutz angenommen hatte und somit unappetitlich war.
    Als er das jämmerlich wirkende Reinigungstuch fallen ließ, kam Mickey auf einen neuen Gedanken, obwohl er eigentlich versuchen wollte, nicht mehr so viel zu denken. Er fragte sich, ob er wahnsinnig geworden sein könnte. Er kam sich tatsächlich ein bisschen so vor, als sei er von einem Vorsprung gestürzt und befände sich im freien Fall. Der Verlust seiner Mutter war ein entsetzlicher Schock gewesen, ein Verlust, der jeden aus dem Gleichgewicht bringen könnte, und vielleicht hatte es ihn auch mehr gestresst, als ihm bewusst

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