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Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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eingemauert worden war. Sie mochte sogar eingemauert worden sein, als sie noch nicht tot war und um ihr Leben flehte, sodass sie innerhalb der Wände nicht nur gestorben, sondern auch wahnsinnig geworden war, weil sie auf diese Weise den Tod gefunden hatte.
    Vielleicht war es das einzig Gefährliche daran, eine ganze Bibliothek zu lesen, dass die eigene Fantasie aufgeblasen wurde wie ein Bodybuilder von Steroiden.
    Obwohl Iris dieser gruselige Gesang zu gefallen schien, wusste Winny, dass sie hochempfindlich darauf reagierte, wenn Leute sie ansprachen, insbesondere Leute, die sie nicht gut kannte. Er wollte nichts Falsches sagen, damit sie bloß keine Art Schreikrampf bekam.
    Das Beste, was er tun konnte, war wohl, sie auf dem Weg, auf dem sie hergekommen waren, in die Wohnung der Cupps zurückzuführen und zu hoffen, dass sie dabei ihren Müttern be gegnen würden. Aber nachdem sein Dad ihm gesagt hatte, wenn er zu viele Bücher läse, würde er am Ende noch ein Waschlappen oder ein Autist, hatte Winny eine Menge über Autismus gelesen und wusste daher, dass ein Autist – nicht jeder, aber die meisten – eine noch viel größere Abneigung dagegen hatte, angefasst zu werden, als dagegen, mit jemandem zu reden. Über das Waschlappentum brauchte er nichts nachzulesen, denn damit kannte er sich ja bereits aus.
    Autismus schien sehr frustrierend, traurig und geheimnisvoll zu sein. Natürlich konnte man nicht davon autistisch werden, dass man Bücher las; und Winny hatte sich gefragt, ob sein Vater ihn verschaukeln wollte oder ob er ein gewaltiger Ignorant war. Er wollte nicht glauben, sein Vater könne ein Ignorant sei. Daher hatte er beschlossen, er müsse sich wohl über ihn lustig machen, was Farrel Barnett schließlich die ganze Zeit über tat, wenn er sich blicken ließ und seinen Sohn zu manipulieren versuchte, damit er ein harter Bursche wurde – Ringkämpfer, Gitarrist und ganz wild auf das Saxofon.
    Selbst wenn es das Beste war, Iris von hier fortzubringen, schreckte Winny davor zurück, sie an der Hand zu nehmen. Wenn er sich stattdessen im Ärmel ihres Pullovers festkrallte und sie daran hinter sich herzog, würde sie vielleicht nicht beleidigt oder wütend oder ängstlich reagieren oder was auch immer es war, was sie empfand, wenn sie berührt wurde.
    Winny wollte es gerade riskieren, sie am Pullover zu packen, als er plötzlich fühlte, wie sich etwas leichtfüßig durch seinen Kopf bewegte, als sei er mit einem Sack Spinneneier im Gehirn geboren worden, die jetzt ausschlüpften.
    Als er sich mit beiden Händen die Ohren zuhielt, hörten all die Babyspinnen nicht auf, in seinem Schädel zu tanzen, doch ihm wurde instinktiv klar, was hier geschah: Der Gesang ging ihm unter die Haut und versuchte, ihn zu hypnotisieren und zu einem Zombie zu machen.
    Ehe er Iris am Ärmel packen konnte, trat sie noch näher an die nächste Wand heran, und gleichzeitig wand sich etwas aus dem Netz der Sprünge im Gips. Einen Moment lang glaubte er, diese Dinger seien ein Teil der Illusion, die durch die pulsieren Pilzlichter erschaffen wurde, doch dann wusste er, dass sie wirklich vorhanden waren. Sie sahen aus wie bleiche Würmer, die sich wanden, oder vielleicht waren es auch die Ranken irgendeiner aberwitzigen Pflanze, die so schnell wuchsen wie in Zeitrafferfilmen oder wie diese menschenfressende Pflanze in Der kleine Horrorladen . Iris breitete ihre Arme weit aus, als hätte sie die Absicht, direkt auf die Wand zuzugehen und sich an diese gierigen Ranken oder Wurzeln oder was auch immer das war, zu pressen.
    Die Babyspinnen in Winnys Kopf hatten Stimmen wie in Wilbur und Charlotte , aber diese Mistviecher waren nicht so nett wie Charlotte. Sie sagten ihm, das zu tun, was Iris gerade vorhatte, sei das Beste auf der ganzen Welt. Er konnte ihre Sprache nicht verstehen, aber er verstand, was sie ihm sagen wollten: Er solle dem Beispiel des Mädchens folgen und das Glück akzeptieren, das sie mit offenen Armen annehmen würde.
    Vielleicht hatten all diese Jahre, in denen er die Reden seines Vaters über sich ergehen lassen musste, Winnys Widerstandskraft gegen Gehirnwäsche gestärkt, aber er kaufte den Spinnen in seinem Kopf kein Wort von dem ab, was sie ihm einreden wollten. Er schrie: »Iris, nein!« , packte mit einer Faust ihren Pullover und zog sie zur Tür, während die peitschenden weißen Ranken hektisch nach ihnen griffen.
    * * *

Twyla Trahern
    »Iris, nein!«
    Als sie einen Fuß von der letzten Treppenstufe in die

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