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Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Schuss zu halten. Wenn jemanden die Schuld an dem traf, was passiert war, dann musste Tom Tran derjenige sein.
    Mickey hatte versucht, das Drehflügelfenster aufzukurbeln, damit er Tom Tran auf der Stelle erschießen konnte. Wenn die Dinge sich nicht wieder einrenkten, obwohl er Tom Tran erschoss, dann würde nichts seine Welt wieder ins Lot bringen. Aber das Fenster ließ sich absolut nicht öffnen. Die Kurbel war wohl kaputt oder so was.
    Im Innenhof hatte Tom Tran die Tür zum Erdgeschoss erreicht. Mickey spielte mit dem Gedanken, schleunigst runterzulaufen und Tom zu erschießen. Es spielte keine Rolle, ob er Tom draußen oder im Haus erschoss. Allein schon, dass er ihn erschoss, sollte alles wieder in Ordnung bringen.
    Ehe Mickey sich von der Stelle rühren konnte, war etwas anderes dort unten über den gewundenen Pfad gewankt. Irgendein Ding. Mit Biologie kannte er sich nicht aus – abgesehen vom Sex natürlich, über den er alles wusste –, aber er glaubte nicht, dass es sich bei dem Ding um eine bekannte Spezies handelte, die in Lehrbüchern abgebildet war. Was auch immer es war, es sah jedenfalls nicht aus wie etwas, das man leicht töten konnte.
    Die Wirklichkeit war jetzt anscheinend vollständig außer Kontrolle geraten. Er wandte sich von den Fenstern ab. Was dort draußen im Innenhof los war, verkraftete er einfach nicht mehr. So stand er jetzt schon eine ganze Weile da.
    Während er die veränderte Welt nicht in seinen Verstand einlassen wollte, sah er Sparkle und Iris plötzlich lebhafter denn je vor sich. So verlockend. Sie waren seine Fantasie, und doch war der Gesichtsausdruck von beiden hochmütig und verächtlich. Sie erschienen ungebeten vor seinem geistigen Auge und sie verhöhnten ihn. Er musste die Realität im Zaum halten, und fürs Erste musste er sich die Schriftstellerin und ihre Tochter so gefügig machen, dass sie bei Fuß gingen.
    Bei Fuß gehen. Das erinnerte ihn an diesen vertrottelt wirkenden Professor, diesen Dr. Ignis, den, der manchmal eine Fliege und eine Jacke mit Flicken an den Ellbogen trug, um Gottes willen. Ignis hatte früher einen Hund gehabt. Einen großen Labrador, den er an einer Leine spazieren führte. Manchmal hatte der Hund Mickey leise angeknurrt. Ignis hatte sich dafür entschuldigt und gesagt, er hätte noch nie geknurrt. Ignis war auch einer, der erschossen werden musste. Das würde wahrscheinlich alles wieder in Ordnung bringen.
    Aber wenn diese Welt, mit der etwas schiefgegangen war, ihn weiterhin zurückwies, würde er vorher Sparkle und Iris finden, wo auch immer im Pendleton sie sich aufhalten mochten, und er würde sie so dafür büßen lassen, wie er vor fünfzehn Jahren diese anderen Frauen hatte büßen lassen. Er würde sie grausamer töten, als er jemals jemand anderen getötet hatte. Dann würde garantiert alles wieder seine Ordnung haben.
    * * *

Winny
    Überall im Raum pulsierten die leuchtenden Pilze mehr oder weniger im Takt mit dem Gesang, langsamer, aber ansonsten wie die Tanzflächenbeleuchtung in manchen doofen alten Disco-Filmen, nur dass man nicht dazu tanzen wollte. Man wollte schleunigst von hier verschwinden, weil sie, während sie heller und dunkler wurden, auf alles ihre eigenen Schatten warfen und die Illusion erschufen, abscheuliche Dinge schlängelten sich dahin und dorthin.
    Im Gegensatz zu den meisten Zwischenwänden innerhalb der Wohnungen im Pendleton waren diese hier massiv und mit Strukturputz versehen, nicht aus Gipsfaserplatten. Ebenso wie die Decke waren sie von hässlichen Sprüngen durchzogen. Diese zerklüfteten Linien schimmerten, als müsse Licht in den Wänden sein, grünes Licht, das durch die Sprünge heraussickerte.
    Winny konnte nicht erkennen, ob Iris wusste, dass er bei ihr war. Sie stand nicht wie sonst mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf da. Sie stand aufrecht da, mit zurückgelegtem Kopf und geschlossenen Augen, als ließe sie sich von dem schlichten wortlosen Gesang des Mädchens mitreißen, von dem Winny geglaubt hatte, sie selbst sei es.
    Stattdessen schien sich das singende Mädchen gemeinsam mit dem grünen Licht innerhalb der Wände zu befinden. Und nicht nur in einer von ihnen. In allen vier Wänden. Es kam von allen Seiten, die totale Quadrofonie. Aus der Nähe klang der Gesang noch schauriger, als während er ihm vom oberen Stockwerk dieser Wohnung aus gefolgt war. Er konnte sich allzu leicht ein totes Mädchen einbilden, dessen Leiche nie begra ben, sondern von einem wahnsinnigen Mörder

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