Nachthaus
wahrscheinlich schon lange vor den jüngsten Ereignissen wahnsinnig gewesen war. Viele Dinge, die er getan hatte, erschienen ihm plötzlich einleuchtender, wenn er schon seit Jahren wahnsinnig war. Komisch, wie ein Eingeständnis seines Wahnsinns bewirken konnte, dass er gleich viel mehr als jemals zuvor mit sich und der Welt im Reinen war. Er hatte das Gefühl, seine Mitte endlich gefunden zu haben und regelrecht in sich zu ruhen.
Okay. Als Erstes würde er in den ersten Stock hinuntergehen und Dr. Kirby Ignis töten und dann würde er sich den Behörden stellen. Er konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, warum er Ignis umbringen musste, aber er wusste, dass er die Absicht gehabt hatte, es zu tun, und es schien ihm das Beste zu sein, sämtliche unerledigten Angelegenheiten zu einem Ab schluss zu bringen, ehe er sein sorgenfreies neues Leben als Patient in einem Sanatorium begann.
Er verließ seine Wohnung.
Er ging in dem langen Hausflur nach Westen zur nördlichen Treppe.
Er stieg in den ersten Stock hinunter.
Er lief durch den langen Hausflur nach Osten zum Apartment 2-F.
Er klopfte nicht an. Wahnsinnige brauchten nicht anzuklopfen.
Mickey betrat die Wohnung von Dr. Kirby Ignis und wusste bereits zwei Schritte nach dem Überqueren der Schwelle, dass sein Entschluss, den Wahnsinn mit offenen Armen zu begrüßen, eine weise Entscheidung gewesen war, denn er wurde jetzt schon reichlich dafür belohnt, dass er ein neues Kapitel aufgeschlagen hatte.
* * *
Winny
Die Biegung der Marmortreppe bis zum Keller schien sich zu lange hinzuziehen, obwohl Winny sich rasch voranbewegte. Er hatte das Gefühl, das Pendleton würde zwischen den Etagen größer und weitere Stufen fügten sich ebenso schnell ein, wie er sie hinabsprang, als wäre es lebendig und entschlossen, seine Pläne zu durchkreuzen. Doch dann erreichte er das untere Ende, zwängte sich durch die halb offene Tür und betrat den tiefsten Flur des Gebäudes.
Vielleicht war die Beleuchtung hier schwächer als in den oberirdischen Stockwerken, aber vielleicht nahm er die Schatten auch nur bewusster wahr, weil seine Furcht mit jedem Schritt, den er sich vom Erdgeschoss entfernte, zugenommen hatte. Einige der Deckenlampen funktionierten noch und es gab Kolonien von phosphoreszierenden Pilzen, und daher war es nicht dunkel, nur seltsam düster und undurchsichtig, als hätte sich gerade erst etwas durch diesen Flur bewegt und den Staub aufgewirbelt, und es war ganz bestimmt nicht etwas so Kleines wie ein zwölfjähriges Mädchen gewesen. Fast hätte er laut gerufen: Iris, wo bist du? , doch er verkniff es sich, weil eine leise Stimme in seinem Inneren ihn warnte, er und Iris hielten sich nicht allein an diesem Ort auf. Von jetzt an würde jedes Geräusch, das er verursachte, die Aufmerksamkeit von etwas auf ihn lenken, mit dem er lieber nicht plaudern wollte, da ihm die Worte mehr denn je fehlen würden.
Im Keller herrschte eine Stille, die so vollständig war wie keine andere, die Winny je gehört hatte. Die Ruhe war sogar noch tiefer als damals auf dem Feld hinter dem Bauernhof seiner Oma an einem Januarabend, als der Schnee ohne jeden Wind fiel und nichts außer den Schneeflocken, die aus dem Himmel hinabtrieben, sich rührte. Die Stille war so gewaltig gewesen, dass er sich klein vorgekommen war, sich aber gerade deshalb sicher gefühlt hatte, einfach weil er zu klein gewesen war, um unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Hier fühlte er sich allerdings nicht sicher.
Während er lauschte und zu entscheiden versuchte, was er als Nächstes tun sollte, fragte er sich, ob die Pilzlichter sich wohl ausschalten konnten. In dem Zimmer in Mr. Dais Wohnung, in dem sich die Fangarme der Pflanzen – falls es das war, womit sie es zu tun gehabt hatten – aus den Rissen in den Wänden geschlängelt hatten, hatten die Lichter pulsiert, heller und dunkler, heller und wieder dunkler, und daher konnten sie wahrscheinlich auch ganz ausgehen, falls ihnen plötzlich danach zumute sein sollte. Wenn die Pilze sich selbst auslöschten, waren sie dann auch dazu fähig, die vereinzelten staubigen Funzeln an der Decke abzuschalten? Er hatte keine Taschenlampe.
Er ließ sich gerade Vorwände dafür einfallen, sich davonzumachen, und dafür schämte er sich ein bisschen, wenn auch nicht allzu sehr, aber peinlich war es ihm doch, obwohl niemand da war, der ihn zittern sah oder den kalten Schweiß bemerkt hätte, der plötzlich auf seiner Stirn stand.
Die schwierige
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