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Nachthaus

Nachthaus

Titel: Nachthaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Treppenhauses im ersten Stock aufriss und über die Schwelle auf den Flur trat, stieß Dr. Kirby Ignis einen kleinen Schrei aus. Sein angenehm zerknittertes Gesicht, das zweifellos schon in seiner Jugend etwas Onkelhaftes an sich gehabt hatte, aber mit fünfzig bereits großväterlich wirkte, war blass und von einer dünnen Schweißschicht überzo gen, die feucht schimmerte. Normalerweise strahlte Ignis Gelehrsamkeit und unerschütterliches Selbstvertrauen aus, aber jetzt schien er alarmiert, als hätte er erwartet, nicht Bailey, sondern jemand anderer würde aus dem Treppenhaus kommen, irgendein Feind. Diese Erwartungshaltung wäre an einem so sicheren Ort wie dem Pendleton bis zum heutigen Tage unverständlich gewesen.
    Bailey sagte nur: »Was ist los? Was haben Sie gesehen?«
    Dr. Ignis war zu scharfsinnig, um die Schlussfolgerung zu übersehen, die Baileys Worte nahelegten. »Sie haben auch etwas gesehen. Etwas äußerst Ungewöhnliches. War es ein Mann in einem Abendanzug, vielleicht ein Butler, groß und weißhaarig und mit Blut bespritzt?«
    »Wo haben Sie ihn gesehen?«
    Ignis deutete auf die Blutflecken auf dem Flurläufer. »Er hat zu mir gesagt, er hätte sie alle getötet – die Kinder auch. Welche Kinder? In welcher Wohnung? Und dann ist er …« Ignis starrte finster auf die Wand neben Baileys Wohnungstür. »Ich meine, ich weiß es selbst nicht … ich weiß nicht, wohin er von hier aus gegangen ist …«
    * * *

Silas Kinsley
    Im Erdgeschoss wandte sich Silas vom südlichen Aufzug und den drohenden Stimmen ab, die hinter den automatischen Schiebetüren hallten. Sie waren wie die Stimmen eines aufgebrachten Pöbels in gewissen Träumen, fordernd, drohend und doch unzusammenhängend, keine klar verständlichen Worte, das eifrige Summen von Heerscharen von Verfolgern, deren B eweggründe für ihn nicht greifbar waren, aber deren verbissenes Ziel seine Zerstörung war. Er erinnerte sich wieder daran, in den frühen Morgenstunden erwacht zu sein und einem fürchterlichen zischelnden Geräusch in der Wand hinter seinem Bett gelauscht zu haben. Diese Stimmen in dem Schacht hatten nichts mit dem Geräusch gemein, und doch wusste er, dass ihr Ursprung derselbe sein musste. Er ging zu dem nahen Treppenaufgang und eilte in den Keller hinunter.
    Er war zwar zu alt und verzehrte sich zu sehr nach seiner verlorenen Nora, um sich Sorgen zu machen, er könnte sein Leben verlieren, aber Silas hatte trotzdem Angst um seine Nachbarn und wollte sie unbedingt warnen, damit sie das Gebäude verließen. Am unteren Ende der Treppe öffnete er behutsam und leise die Tür, da er sich Sorgen machte, die riesige Ungeheuerlichkeit, die Perry Kyser 1973 gesehen hatte, das Ding, das offenbar einen seiner Kollegen getötet hatte, könnte dort lauern, um ihn anzugreifen. Wenn Andrew Pendleton in dieser Nacht lange nach seinem Selbstmord hier am Leben sein konnte, dann könnte jeder – und alles – aus jeder Zeit in diesem Gebäude herumlaufen.
    Der südliche Flur, der an den Abstellräumen vorbei und zum Lastenaufzug am hinteren Ende des Gebäudes führte, schien menschenleer zu sein, und in dem langen Westflur war niemand außer einem Mann zu sehen, der gerade aus dem Versorgungsraum kam. Er schloss die Tür hinter sich und ging forsch auf den nördlichen Lift am hinteren Ende des Korridors zu.
    Silas konnte den Mann nicht gut genug sehen, um ihn eindeutig zu identifizieren, aber er hatte das sichere Gefühl, es sei Mickey Dime. Als Vorstandsmitglied des Wohnungseigentümerverbandes kannte Silas jeden Bewohner des Gebäudes, doch er kannte nicht alle gleich gut. Dime war für ihn in erster Linie ein Name, da der Mann sehr für sich blieb.
    Als Dime in dem Aufzug am Ende des Flurs verschwand, kam Silas aus dem südlichen Treppenaufgang heraus und eilte an der Hausmeisterwohnung vorbei. Am Wachraum klopfte er leise. Als niemand reagierte, klopfte er etwas lauter. Schließlich öffnete er die Tür und trat ein.
    Das Bedienungspult war nicht besetzt. Niemand stand an der Kaffeemaschine in der Küchennische. Die Tür zur Toilette stand offen, und auch dort war niemand.
    In den Sicherheitsrichtlinien stand, der diensthabende Wäch ter würde seinen Posten nur verlassen, wenn er wegen eines Ernstfalls in einen anderen Teil des Gebäudes gerufen wurde oder um eine seiner obligatorischen Runden von fünfzehn Minuten durch den Keller, das Erdgeschoss und den Innenhof zu drehen, zwei während der Spätschicht und zwei während der

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