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Nachtjaeger

Nachtjaeger

Titel: Nachtjaeger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. T. Geissinger
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auf dem Etikett des Latour und hielt die Augen auf die Flasche gerichtet.
    Er nickte zustimmend.
    Sie stellte das Bordeaux-Glas auf das weiße Tischtuch und schnitt mit dem Messer eines Flaschenöffners die Kappe über dem Korken auf.
    »Ich bin mir sicher, dass Sie etwas zu Geoffrey gesagt haben müssen. Meine Stelle wurde mir nämlich auf wunderbare Weise zurückgegeben.« Mit einer eleganten Bewegung ihres Handgelenks löste sie den Korken aus der Flasche. »Auch wenn ich es nicht verdient habe«, fügte sie beinahe unhörbar hinzu.
    Leander sah in ihr Gesicht. Sein scharfes Gehör hatte es ihm ermöglicht, jedes Wort zu vernehmen, das diese furchtbare kleine Ratte ihr in der Küche an den Kopf geworfen hatte. Er hätte am liebsten Geoffrey am Hals gepackt und zugedrückt.
    »Ich habe ihm mitgeteilt, dass ich vorhabe, jeden Abend meines restlichen Aufenthalts in dieser Stadt hier zu essen und klargestellt, dass ich erwarte, jedes Mal von seiner talentierten Sommelière bei meiner Weinwahl beraten zu werden.«
    Er nahm den Korken entgegen, den sie ihm reichte. Sie beobachtete, wie er mit dem Finger über den schlanken Fuß des Weinglases strich.
    »Soll ich ihn dekantieren?«
    »Nein«, erwiderte er und hob den Kopf, um ihr herrliches Gesicht genauer ansehen zu können. »Aber bringen Sie noch ein Glas.«
    »Leistet Ihnen jemand Gesellschaft?«
    »Ja. Sie leisten mir Gesellschaft.«
    Er sah, dass sie seine Antwort überraschte. Ihre schlanken Finger verkrampften sich um die Weinflasche. Sie verlagerte ihr Gewicht auf den anderen Fuß.
    »Ah …« Sie warf einen Blick Richtung Küche. »Ich glaube nicht, dass es eine gute …«
    »Kommen Sie«, unterbrach er sie mit einem leichten Lächeln. »Ich bin mir sicher, dass Ihr Vorgesetzter nicht begeistert wäre, wenn Sie den Wunsch Seiner Heiligkeit ablehnen würden.«
    Es war eine Provokation – und sollte es auch sein. Er wollte, dass sie neugierig wurde, dass sie sich fragte, woher er wusste, welchen absurden Titel Geoffrey ihm gegeben hatte. Er wollte, dass sie näher kam …
    Jenna knallte den Latour auf den Tisch, sodass ein paar Tropfen auf die Decke spritzten. Ihre Wangen röteten sich.
    »Ist das ein Scherz?«, fragte sie durch zusammengepresste Lippen. »Nimmt man mich heimlich mit der Kamera auf? Wie konnten Sie das hören?«
    Leander nahm sich vor, sie in Zukunft nicht mehr zu provozieren. Sie schien jedenfalls kein Problem damit zu haben, direkt zu sein. Er unterdrückte das Lächeln, das in ihm aufstieg.
    »Warum setzen Sie sich nicht zu mir, und ich erzähle es Ihnen?«, murmelte er und erwiderte ihren funkelnden Blick.
    Eine Kämpferin, dachte er. Fantastisch.
    Sie blieb angespannt und stumm neben dem Tisch stehen. Ihr Atem ging stoßweise, ihr Gesicht war noch immer gerötet, und ihre Augen funkelten.
    »Bitte.« Er wies auf den leeren Platz neben sich. »Es gibt etwas, das ich Sie sowieso fragen wollte.«
    Jenna musterte ihn weiterhin eingehend, als ob sie versuchen wollte, seine Gedanken zu lesen.
    Er konnte nur hoffen, dass sie zu so etwas nicht in der Lage war.
    Gerade wollte er aufgeben, als sie plötzlich nachgab und sich auf die Bank neben ihn setzte. Sie streckte die Hand aus, nahm die Flasche Latour und schenkte ihm ein. Die Flüssigkeit rann in einem perfekten Bogen in das bauchige Glas. Der Wein hatte eine dunkle, rubinrote Farbe, die an den Rändern ins Bernsteinfarbene überging.
    Dann stellte sie die Flasche wieder ab, fasste den Stiel des Glases mit Daumen und Zeigefinger und schob es ihm zu.
    »Also«, sagte sie und hob den Blick, um ihn finster zu mustern. »Ich sitze. Was wollten Sie mich fragen?«
    Er gab sich die größte Mühe, diese frostigen Augen zu ignorieren, denen es möglich schien, ihm jedes Geheimnis zu entlocken. Stattdessen nahm er das Weinglas, schwenkte die Flüssigkeit darin herum und führte das Glas dann an seine Nase.
    Er schloss die Augen.
    Zuerst: die Gerüche von Wild, rauchiger Eiche, Kräutern und Vanille sowie etwas Ungreifbares, etwas Kraftvolles. Dann: Trüffel, Leder, Mineralien und süße, marmeladeartige Aromen, eine dickflüssige Struktur, Zedern, Blaubeeren, Johannisbeeren. Schließlich: der cremig, sanfte Abschluss, der wie Ambrosia auf seiner Zunge verweilte. Er schmeckte die Sonne und den Regen, die diese Reben ernährt hatten, er schmeckte den Kiesboden und das Holzfass, in dem der Wein gelagert worden war, irgendwo aus einem uralten Wald in Frankreich.
    Tronçais, dachte er. Nein – Jupilles. Der

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