Nachtkalt: Psychothriller (German Edition)
sicher sein konnte, nicht beobachtet zu werden, hob sie ihre Tasse vor den Mund und fragte leise: »Alles in Ordnung mit Ihnen?«
Mike öffnete sein linkes Auge einen Spaltbreit und sagte trotz des Schaums in seinem Mund: »Alles klar, nur die Seife schmeckt wirklich Scheiße.«
Fast hätte Anja vor Erleichterung gelächelt, beherrschte sich aber und fragte mit vorgehaltener Tasse: »Und was machen wir jetzt?«
Mike ließ einen Teil der Flüssigkeit aus seinem Mund laufen und flüsterte: »Schütten Sie sich etwas Kaffee über Ihre Bluse. Dann gehen Sie in das Gästeklosett und schreiben Jänke eine SMS, was Ihnen dieser Irre gerade erzählt hat. Ich habe mein Handy unter das Waschbecken gelegt. Anschließend kommen sie zurück und legen eine Decke über mich. Er muss glauben, dass er gewonnen hat.« Wieder versuchte Mike ein wenig Seife aus seinem Mund zu bekommen und fügte leise hinzu: »Sie machen das prima. Die Idee, mir auf der Toilette eine Warnung zu hinterlegen, war genau das Richtige.«
Anja tat, was Köstner ihr gesagt hatte, und setzte sich, nachdem sie ihn abgedeckt hatte, auf das Sofa, wo sie so tat, als würde sie weinen. Es blieb nichts zu tun, als abzuwarten und zu hoffen. Nichts war schlimmer als die Ungewissheit, ob sie ihren Bruder tatsächlich bald wiedersehen würde und was dieser Psychopath mit ihm gemacht hatte.
35
Dank Mikes Anruf war Jänke vorgewarnt und nahm die SMS ernst. Nach einer kurzen Debatte mit seinem Chef überzeugte er diesen schließlich, dass sein Freund Köstner in die Sache involviert war, und dieser stimmte seinem Einsatz zu. Jänke verzichtete darauf, sein eigenes Fahrzeug zu nehmen, und fuhr stattdessen mit dem Einsatzleiter des SEK. Trotz Blaulicht brauchten sie fast 20 Minuten bis zu der Sackgasse, an deren Ende Langes Haus stand. Nach kurzem Suchen fand das Team einen schmalen Forstweg, in dem es seine zwei Kleinbusse halbwegs unsichtbar machen konnte, danach verteilten sich die Männer in dem stockdunklen Wald und wenige Sekunden später deutete nichts mehr auf ihre Anwesenheit hin.
Jänke und der Einsatzleiter kauerten hinter der halbhohen Mauer eines der letzten Häuser vor dem kurzen Waldstück. Da in dem Haus hinter ihnen kein einziges Licht brannte, war die Gefahr, dass ein Anwohner herauskam und alles zunichtemachte, ziemlich gering. Zeit, um den Bewohnern der Straße etwas zu erklären, blieb nicht und sie konnten nur hoffen, dass ihnen keiner von ihnen in die Quere kam.
Jänke blickte auf seine Uhr. Seit der SMS waren genau 45 Minuten vergangen und darin war von einer Stunde die Rede gewesen. Um sicher zu gehen, dass die Übergabe noch nicht stattgefunden hatte, würde ein Beamter versuchen, Einblick in Langes Haus zu erlangen.
Ohne ein Wort zu sagen, kauerten Jänke und sein Kollege hinter der Mauer und schon nach wenigen Minuten spürten sie, wie die Kälte sich langsam ihren Weg suchte. Endlich griff sich der Einsatzleiter an sein Ohr und Jänke wusste, dass er gerade einen Funkspruch bekam.
Der Mann hörte kurz zu und sagte dann leise zu ihm: »Wir scheinen es rechtzeitig geschafft zu haben. Die Frau sitzt auf dem Sofa und sieht verzweifelt aus, von ihrem Ex-Kollegen oder dem Jungen ist aber nichts zu sehen.«
Jänke wollte gerade etwas sagen, als von der Hauptstraße Motorengeräusche lauter wurden und sich ein Lichtkegel der Einfahrt zu der Sackgasse näherte. Das Fahrzeug wurde langsamer, bog ab und kam nun genau auf sie zu. Der Einsatzleiter schickte seinen Männern die Warnung genau drei Sekunden zu früh, denn der silberne BMW hielt etwa 20 Meter vor ihnen, wartete, bis sich ein automatisches Gartentor geöffnet hatte und verschwand dann auf dem Grundstück.
Wieder passierte einige Minuten nichts und so langsam wurde Jänke unruhig, zumal er sich nicht wirklich vorstellen konnte, dass dieser Irre hier mit Gerald Lange auftauchen würde und diesen seelenruhig bei seiner Schwester abgab. Andererseits, was hatte er zu befürchten? Mike war ausgeschaltet und er konnte davon ausgehen, dass Anja Lange das Leben ihres Bruders nicht dadurch gefährdete, dass sie doch noch die Polizei rief.
Jänke war so sehr in Gedanken, dass ihn erst ein kleiner Rempler seines Kollegen auf ein weiteres Motorengeräusch aufmerksam machte. Wieder erhellte ein Lichtkegel die Hauptstraße, doch dieses Mal erlosch dieser, bevor das dazugehörige Fahrzeug zu sehen war. Nur zehn Sekunden später näherte sich ein Linienbus, der zwar kurz langsamer fuhr, aber nicht
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