Nachtkrieger: Ewige Begierde
tat er leid.«
»Wir taten einander gegenseitig leid. Von mir war Vater ebenso enttäuscht, und er war keineswegs gütiger zu mir.«
»Warum?«
Aus vielerlei Gründen.
Sie schüttelte den Kopf. »Das ist eine andere Geschichte,
Monsire.
Belassen wir es dabei, dass jeder von uns sich mehr als einmal zwischen den anderen und Vaters Zorn stellte. Damit gewannen wir keineswegs seine Zuneigung, aber es schweißte uns beide zusammen wie Bruder und Schwester.«
»Väter können manchmal hart sein, dabei wollen sie ihre Kinder nur stärken«, sagte Steinarr.
»Es ging nicht darum, uns zu stärken,
Monsire.
Es ging darum, uns zu brechen. Insbesondere Robin. Vater nannte ihn einen Feigling und einen Narr.« Sie sah ihn an. »Er nannte ihn
Askefise.
«
Steinarr errötete schuldbewusst. »Ah.«
»Er sagte, das gemeine Blut fließe zu dick durch Robins Adern und dass er niemals würdig wäre, den Titel zu tragen. Er gelobte, dass er Robin letzten Endes doch niemals anerkennen würde und Huntingdon und der Titel an meinen Cousin übergingen.«
»Noch einer?« Es klang, als hätte er daran seine Zweifel.
»Mein
richtiger
Cousin«, sagte sie. »Der einzige Sohn von Vaters einzigem Bruder, Guy of Gisburne. Ein widerwärtiger Kerl, aber der rechtmäßige Erbe – dachten wir zumindest. Und das dachte Guy auch. Aber Vater fand heraus, dass Guy … ebenfalls nicht so war, wie er gedacht hatte, adelig hin oder her. Er wandte sich mit seinem Anliegen an den König, und Edward schlug ihm eine Lösung vor. Eine Prüfung. Eine letzte Chance für Robert, unter Beweis zu stellen, dass er es wert ist, ein Lord zu sein.«
Steinarr runzelte die Stirn. »Von so etwas habe ich noch nie gehört.«
»Das hatte ich auch nicht, bis Vater im Sterben lag. Er bestellte Robin zu sich und erzählte ihm von der Prüfung, mit der der König und er ihn auf die Probe stellen wollten. Er sagte, er habe einen kleinen Schatz versteckt und eine Spur aus Rätseln gelegt, denen er nachgehen müsse, um ihn zu finden. Das erste Rätsel wurde Robert von unserem Steward ausgehändigt, zu genau der Stunde, als Vater beerdigt wurde. Robin muss den Schatz finden und ihn dem König präsentieren. Wenn er es rechtzeitig schafft, wird er als Erbe anerkannt und bekommt vom König den Titel verliehen.«
»Und wenn er es nicht schafft?«
»Dann wird Guy der neue Lord.« Matilda gab sich Mühe, die Bitterkeit in ihrem Ton zu unterdrücken, doch sie konnte sie selbst heraushören. »Der schwache Punkt an Vaters Plan ist, dass Guy selbst den Schatz nicht finden muss. Er braucht nur …«
»Robin davon fernzuhalten«, stimmte Steinarr in ihre Worte mit ein. Er sprang auf und lief abermals vor und zurück, und eine neue, kältere Art von Zorn schlug gegen die Grenze von Matildas Bewusstsein.
»Deshalb reisen wir als einfache Pilger und unter falschen Namen. Es tut mir leid, dass wir Euch belogen haben,
Monsire,
aber Guy will Huntingdon um jeden Preis. Der Haushofmeister ließ ihm zur selben Zeit, als er Robin das erste Rätsel übergab, eine Nachricht zukommen. Ich fürchte, er ist uns bereits auf der Spur. Wenn wir ihm in die Hände fallen, wird er Robin bestimmt töten.«
»Dazu hat er nicht den Mut«, brummte Steinarr, und die frostige Kälte, die von ihm ausging, ließ Matildas Seele gefrieren. »Er hat jemand anders ausgesandt, ihn zu beseitigen.«
Ihr Innerstes war starr vor Kälte, war starr wie das Eis auf einem See.
Ah. O Gott.
Sie wusste es, und dennoch musste sie danach fragen. »Woher wisst Ihr, was Guy getan hat?«
»Weil er mich ausgesandt hat«, sagte Steinarr.
Matilda sprang auf und schoss durch den Raum wie ein Pfeil von einem Bogen und war bereits halb durch die Tür, als Steinarr sie einholte. Er packte sie an der Taille, zerrte sie zurück in das Cottage und trat mit dem Fuß die Tür zu. »Setz dich wieder!«
Doch stattdessen wich sie zurück, bis sie hinter dem Feuer stand, und zog ihr Messer hervor. »Bleibt mir vom Leib!«
»Leg das Ding weg, sonst verletzt du dich noch selbst. Wenn ich dich umbringen wollte, wärst du längst tot. Du brauchst nichts zu fürchten. Und Robin auch nicht. Insbesondere jetzt nicht mehr.«
»Ich glaube Euch nicht.«
»Trotzdem ist es so.« Steinarr sah sie nachdenklich an und überlegte, wie er die Sache am besten angehen sollte. In seiner Überheblichkeit hatte er die Zusammenhänge dermaßen falsch eingeschätzt, dass er es vielleicht nie wiedergutmachen konnte. »Ich wollte die Wahrheit von dir hören,
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