Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
seine Satteltasche, um einen Stummel Kohle und einen der Pergamentfetzen hervorzuholen, die er stets für seine endlosen Nachrichten zur Hand hatte. Er zeichnete ein paar Runen auf die Tierhaut und blies den Kohlenstaub weg. »Ich werde den Fetzen an einer Stelle deponieren, wo Brand ihn direkt nach seiner Umwandlung findet. Jetzt komm wieder herunter.«
Während des Handgemenges hatte die Frau ihre Kopfbedeckung verloren, und als sie sich erneut von dem Mann abwandte, der sie bedrängte, erhaschte Jafri einen Blick auf ihr schwarzes, fast bläulich schimmerndes Haar. Ihr Gesicht konnte er noch nicht erkennen, aber irgendetwas an ihr … »Verdammt!«
»Was ist denn?«
Jafri kletterte höher, um den bestmöglichen Ausblick zu haben. Was er von dort aus sah, ließ ihn sogleich vom Baum springen, wobei ein paar Äste abbrachen. »Komm vom Pferd herunter!«
»Was? Warum?«
»Komm runter!« Jafri zerrte Ari von dem Hengst und sprang in den Sattel. Er zeigte auf die Nachricht in der Hand seines Freundes. »Sorg dafür, dass Gunnar und Brand das sofort zu sehen bekommen. Ich werde Torvald so nah heranholen, wie ich kann, bevor wir uns verwandeln.«
»Was zum Teufel ist los?«
»Schaff die beiden her!«, wiederholte Jafri. Er griff hinter sich, um sich zu vergewissern, dass Ari Pfeil und Bogen am Sattel befestigt hatte. Torvald würde beides brauchen. »Vielleicht spinne ich, aber ich glaube, die Gefangene ist Lady Eleanor. Gunnars Frau.«
OGottoGottoGott. Bitte, Jungfrau Maria, hilf mir! Ich wollte doch nichts weiter als selbst meine Wahl treffen. Bitte straf mich nicht dafür!
Als die Sonne im Westen unterging, hockte Eleanor neben dem beißend rauchenden Feuer, das ihre Entführer aufgeschichtet hatten, und versuchte, sich zusammenzureißen. Alles war so schnell aus dem Ruder gelaufen. Gerade noch war sie auf der Küstenstraße entlanggeritten und hatte John Pensons Gesang gelauscht, und im nächsten Moment war sie umringt von Schwertern, Blut und Tod.
Nun war sie eine Gefangene, und die Vogelfreien, die sie entführt hatten, standen ein wenig abseits von ihr und stritten sich darüber, was sie mit ihr machen sollten. Sie konnte nicht verstehen, was sie sagten, aber der Ton gefiel ihr nicht. Ganz und gar nicht.
Sie sah sich auf dem Hof der verlassenen Burg um und versuchte, einen Weg hinaus zu entdecken, oder auch irgendeine Waffe, aber das Beste, was sie finden konnte, war ein faustgroßer Feldstein, der zur Hälfte mit Gras überwuchert war und knapp außerhalb ihrer Reichweite lag. Als der Streit ihrer Entführer hitziger wurde, lockerte sie den Stein mit dem Absatz ihres Schuhs, zog ihn zu sich heran und schob ihn hastig unter ihre Röcke.
Ein Stein. Ihr einziges Mittel zur Verteidigung war ein Stein. Immerhin etwas, und mit ein wenig Glück konnte sie damit zumindest einen Schädel zertrümmern, bevor man sie überwältigen würde.
Und dann … Daran mochte sie gar nicht erst denken. Sie schob den Gedanken beiseite, ebenso wie ihre Angst, wie überhaupt alles, und konzentrierte sich darauf, wie sie lebend entkommen konnte.
Auf einmal war der Streit zu Ende, und der Schädel, den sie am liebsten zertrümmert hätte, kam auf sie zu. Er gehörte Simon Tunstall. Nicht länger Lord von irgendetwas außer dieser Bande von Vogelfreien, war er nach seinem jämmerlichen Auftritt an der Liebesburg abermals wegen hinterhältigen Verhaltens gefangen genommen worden. Wie sie gehört hatte, war er in Schande nach Schottland geflohen, und dem Akzent seiner Leute nach schienen diese Gerüchte zu stimmen.
Er blieb vor ihr stehen und machte eine leichte Verbeugung. »Habt Ihr es bequem, Lady Eleanor?«
Bloß keine Angst zeigen. Sie sah nur kurz zu ihm auf, als interessiere er sie nicht weiter. »Ich sitze hier mitten im Nirgendwo auf steinigem Boden, Tunstall. Was glaubt Ihr wohl, wie bequem das für mich ist? Bringt mich zurück nach Raby. Aber schnell!«
»Ich glaube, das geht nicht.« Er schüttelte den Kopf und machte ein beinahe reumütiges Gesicht. »Ich hatte mir heute Morgen nicht vorgenommen, jemanden zu töten, müsst Ihr wissen.«
»Und trotzdem sind nun alle tot.« Eleanor drehte sich beinahe der Magen um, als sie an die leblosen Körper dachte, die Tunstalls Männer in die Ginsterbüsche gezerrt hatten, um sie den Aasfressern vorzuwerfen. »Selbst die Zofe meiner Lady Mutter, die Ärmste. So tapfer seid Ihr und Eure Männer also.«
Tunstalls Hals lief rot an. »Daran ist dieser Idiot von Penson
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