Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
ihr gehören. Das Bündel und die Satteltaschen ganz vorne. Du siehst es sofort.« Brand schnappte sich den Ale-Schlauch und machte sich mit Torvald auf den Weg bachabwärts. Als sie in die Dunkelheit davonmarschierten, rief Brand Gunnar auf Nordisch zu: »Deine fylgja ist ein Stier, Gunnar, kein Esel. Versuch, daran zu denken!«
Dann waren sie verschwunden, und Gunnar und Eleanor waren allein, und starrten sich gegenseitig an.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Eleanor.
»Brand benimmt sich eben wie Brand, das ist alles. Es ist nichts weiter. Nun … Nun esst einfach Euer Abendessen.«
»Wenn mein Abendessen Euch so wichtig ist, Monsire, dann esst es doch selber!«, gab sie in scharfem Ton zurück und marschierte in die Höhle.
Eleanor sank auf das Bett, verschränkte die Arme und versuchte, sich zusammenzureißen. Sie fühlte sich so dünn und zerbrechlich wie ein altes Seidengewand, das zu zerreißen drohte, wenn man es zu hart anfasste.
Sieben tapfere Männer und eine brave Frau waren tot, und Tunstall und seine Bande auch, und all die toten Körper schienen vor ihren Füßen zu liegen. Sie hatte ihre Mutter belogen, ihren Vater, den König und die Kirche herausgefordert und alles aufs Spiel gesetzt, was sie war, alles, was sie besaß.
Und wofür?
Für das hier?
Gunnar mochte zwar gleich draußen vor dem Eingang sein, aber er schien ebenso weit entfernt wie in der Zeit, als ein halbes Land zwischen ihnen gelegen hatte. Sie konnte ihn hören, genau in diesem Moment, wie er hin und her lief und wütend gegen Steine trat und sie gegen die Bäume schoss.
Sie konnte es nicht verstehen. Sie hatte ihn so sehr gewollt, war sich so sicher gewesen, dass er sie ebenfalls wollte. Diese Sicherheit hatte sie all die Jahre aufrecht gehalten, sie all die Nächte unter Richard überstehen lassen. Hatte sie sich so sehr getäuscht? War sie so töricht gewesen? War er wütend, weil sie hergekommen war?
Oder lag es an etwas anderem? Vielleicht hatte der Himmel beschlossen, sie doch noch zu strafen, für ihre Arroganz, sich einzubilden, sie sei für diesen Mann bestimmt, und für all die Zerstörung, die sie verursacht hatte, weil sie zu ihm wollte. Vielleicht sollte sie überhaupt nicht hier sein.
Gunnar hörte auf, hin und her zu laufen, und einen Herzschlag lang hoffte sie, er würde zu ihr hereinkommen, und sie würden diese vertrackte Situation gemeinsam hinter sich lassen … ganz gleich, wie es dazu gekommen war. Aber seine Stiefel scharrten auf den Kieseln und entfernten sich talaufwärts. Ein Schluchzer ließ sich nicht länger unterdrücken und hallte von den Höhlenwänden wider, klang mehr nach einem Lachen, als wollten selbst die Felsen sich über sie lustig machen. Sie verstärkte den Druck ihrer Arme und gab sich alle Mühe, nicht zu weinen.
So saß sie noch immer da, als sie eine Weile später hörte, wie die Kiesel unter seinen Schritten knirschten, als er das Ufer des Bachs herunterkam.
Näher.
Näher. Bitte, heilige Muttergottes. Bitte, lass ihn zu mir zurückkommen. Sie hielt den Atem an, wartete.
»Mylady?«
Ich danke dir. Seine Stimme kam vom Eingang der Höhle, aber wenn sie den Kopf hob, wenn sie wagte, sich zu bewegen, würde sie ganz sicher zusammenbrechen. Sie holte tief Luft. »Was ist los?«
»Ich, ähm, habe das hier.« Die Spitzen seiner Stiefel erschienen in ihrem Blickfeld, und er ließ ein in Stoff gewickeltes Bündel vor ihre Füße fallen. »Das haben sie Tunstall abgenommen. Brand glaubt, einiges davon gehört Euch.«
»Ah.« Sie griff nach dem Bündel, aber ihre Hände zitterten so sehr, dass sie es nicht schaffte, den Knoten zu lösen.
»Ich mache das schon«, sagte er in barschem Ton. Er kniete sich vor ihre Füße, schnürte das Bündel auf und begann, die jämmerlichen Überbleibsel von Simon Tunstalls Leben auszubreiten.
»Was haben sie mit ihm gemacht?«
»Tunstall?« Gunnar hob den Kopf, und er war so dicht vor ihr, so nah, dass sie die goldenen Einsprengsel in seinen grünen Augen sehen konnte. »Das müsst Ihr Euch nicht anhören, Mylady.«
Eleanor, hätte sie am liebsten geschrien. Nenn mich Eleanor. »Doch, das muss ich. Erzählt es mir.«
»Sein Körper wurde zusammen mit den anderen den Brunnen hinuntergelassen.«
»Alle? Was ist, wenn jemand sie findet?«
»Niemand wird sie finden. Der Brunnen war alt und schon fast in sich zusammengefallen. Brand und Torvald haben ihm nur noch den Rest gegeben. Tunstall und seine Männer sind tief begraben und werden es
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