Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
ins Gesicht, und sein Eroberer rannte auf den Turm zu, die anderen schossen ihm hinterher und ließen Gunnar auf den Knien im Staub zurück, mit dröhnendem Schädel, schmerzender Nase und – so wie es sich anfühlte – einem ziemlich dicken, ausgerissenen Büschel seiner Brustbehaarung.
Alles in allem ein netter Kampf, aber nun wurde es wohl Zeit, ernst zu machen. Immerhin hatte er einen Penny dafür ausgegeben, und er wollte seinen Kuss – von dem damit verbundenen Silber einmal ganz zu schweigen.
Er schüttelte seine Benommenheit ab, rappelte sich wieder auf und sah blinzelnd in das Licht der Fackeln. Der Kampf verlagerte sich rasch auf das Gelände am Fuß des Turms, da die Männer, denen es nicht gelungen war, einen Gunstbeweis zu erobern, nun alles daransetzten, denjenigen, die erfolgreich gewesen waren, diesen abzunehmen. Gunnar, der nun das Gleiche im Sinn hatte, machte ein paar große Schritte mitten in das Gewühl, die mêlée, hinein und verteilte munter Hiebe an alle, die ihm in die Quere kamen, während er sich zum Fuß des Gerüsts durchkämpfte.
Tunstall kletterte bereits auf das Gerüst, aber Williams Knappe war ihm dicht auf den Fersen. Der Junge streckte sich, um Tunstall am Gürtel zu packen. Der wiederum versuchte mit aller Kraft, die nächste Stange zu erreichen, aber der Junge, schlank und drahtig, wie er war, hing an ihm wie eine Klette. Fluchend drehte Tunstall sich um und griff hinunter zu seinem Stiefel. Mit Befremden sah Gunnar, dass er einen scharfen Dolch aus dem Stiefel herauszog.
Dieser Schurke! Ohne abzuwarten, was er mit der Klinge vorhatte, schleuderte Gunnar seinen Lederknüppel. Er traf Tunstall mit voller Wucht am Ellbogen. Der Edelmann brüllte vor Schmerz, und der Dolch fiel ihm aus den tauben Fingern und grub sich bis zum Griff in den Boden, wobei er nur knapp zwei der Verfolger verfehlte. »Foul, Foul«, ertönte es von allen Seiten, ein Geschrei, um einiges wütender als das, das Gunnar mit seinem kleinen Trick zuvor geerntet hatte.
»Disqualifiziert. Lord Tunstall wird disqualifiziert wegen Tragens einer unerlaubten Waffe«, donnerte der Herold zum Fenster hinauf. »Herunter da, Mylord! Kommt sofort herunter!«
Während Buhrufe und Hohngeschrei von den Mauern widerhallten, hob Gunnar seinen Lederknüppel auf und richtete seine Aufmerksamweit wieder darauf, jemanden auszumachen, dem er einen Gunstbeweis abnehmen konnte. Irgendjemanden … mit irgendeinem Gunstbeweis.
Dort. Einer der Männer war gerade einem wenige Schritte entfernten Gerangel entkommen und schoss auf das Gerüst zu, um hinaufzuklettern. Sogleich lösten sich zwei Männer aus dem Scharmützel und rannten hinter ihm her. Gunnar packte den Nächstbesten am Überrock und schleuderte ihn mitten in ein Handgemenge hinein, das ebenfalls in ein paar Schritten Entfernung stattfand. Alle daran Beteiligten landeten in einem wilden Knäuel auf dem Boden.
Der zweite Verfolger konnte gerade noch einen Fuß auf das Gerüst setzen, bevor Gunnar ihn auf dieselbe Weise aus dem Weg schaffte. Nun war nur noch der Mann mit dem Gunstbeweis übrig, welcherart auch immer dieser Gunstbeweis war. Bei den Göttern, war der Kerl schnell!
Gunnar sprang das Gerüst geradezu hoch.
Knapp unterhalb des Pavillons holte er den Mann ein, und das auch nur, weil der Ritter, der ausschließlich auf die Frauen fixiert war, einen Moment innehielt, um sich mit den Fingern durch die Spitzen seines kinnlangen Haars zu fahren.
Und dieser Moment war lang genug. Blitzschnell riss Gunnar das Stoffband an seiner Sendelbinde ab und wickelte es dem Mann um den Knöchel, als dieser seinen Fuß auf die nächste Stange setzen wollte.
»He?«
Bevor der verblüffte Ritter ihn abwehren konnte, band Gunnar dessen Fuß an die nächste Querstange und zurrte den Knoten fest. Während der Mann vergebens versuchte, sich zu befreien, nahm Gunnar die nächste Stange und griff ins Hemd seines Widersachers, um sich den Gunstbeweis zu schnappen.
»Nein!« Der Ritter machte eine halbe Drehung und holte aus. Sein Faustschlag traf Gunnar an der Wange, aber da der Mann festhing, hatte er nicht genug Schwung, und sein Schlag zeigte kaum eine Wirkung. Gunnar gab ihm einen Schubs, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, und als der Ritter hin und her schwang wie ein Pendel, erleichterte Gunnar ihn ganz einfach um …
Den grauen Handschuh! Das war wirklich Glück.
»Hurensohn!« Der Ritter wollte sich auf ihn stürzen, schaffte es aber nicht, wie eine
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