Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
wir den Sieger unter den Siegern küren, zumindest mit Blick auf die Liebe. Kommen Sie her, meine Damen!«
Sie führte die jungen Damen auf eine Seite des Saals, wo sie ein Knäuel um die Countess bildeten und sich sogleich ausgedehntes Geflüster erhob.
Gunnar beugte sich zu dem Mann neben ihm – derjenige, der ihm den Schleier abgenommen hatte –, und fragte mit gesenkter Stimme: »Warum ist der Countess so sehr daran gelegen, was ihr Gemahl von den Küssen hält?«
»Wisst Ihr das denn nicht? Ich dachte, Ihr und Lady Eleanor …«
»Ich bin ihr vor langer Zeit einmal begegnet, und das auch nur flüchtig. Auf Richmond. Ich weiß nichts von ihr.«
»Ah.« Der Mann wies mit dem Kopf auf den Earl. »Sie ist Westmorlands Tochter. So wie Lady Anne es ist und auch Lady Margaret, aber die sind von seiner ersten Frau, sie ruhe in Frieden.«
»Tochter?« Eine verschwommene Erinnerung tauchte auf: Die Herzogin hatte den Namen Neville erwähnt, und er selbst, benommen von Rauch und Erschöpfung, war nicht darauf gekommen, wer das sein konnte. Natürlich: der Earl von Westmorland war Ralph de Neville. Bei den Göttern, er, Gunnar, war einfach in die Halle ihres Vaters spaziert, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein.
Verdammt! Er hatte sie tatsächlich vergessen. Er hätte sie nicht vergessen sollen, doch genau das hatte er, hatte den Gedanken an sie begraben im Sumpf der Erinnerungen aus sechs Jahrhunderten.
Nun stand er da und hätte sich am liebsten für seine Dummheit in den Hintern getreten, als die Countess mit den Damen auf die Estrade an der Stirnseite der Halle zurückkehrte. Eleanor neben ihr, wippte langsam auf den Zehen und richtete ihren lächelnden Blick auf Gunnar, was das beschämende Gefühl, das unbehaglich in ihm aufstieg, noch verstärkte. Sie hatte sich so gefreut, ihn wiederzusehen, und er hatte sie vollkommen vergessen.
Aye, er war nicht nur ein Dummkopf, sondern auch ein Mistkerl.
»Wir haben unsere Wahl getroffen. Es mag ungewöhnlich scheinen, aber der Mann, der als le plus preux et gentil erachtet wird, befindet sich nicht unter den hier anwesenden Siegern. Vielmehr kämpfte er mit viel Mut und Tapferkeit, einzig und allein, um den Anspruch auf seine Siegesprämie an den Ritter abzutreten, bei dem er Dienst tut, alles im Namen der Liebe.« Die Countess hielt den kleinen goldenen Apfel in die Höhe. »Laut Abstimmung der Damen geht der Preis an John Penson, Knappe von William, Lord Ethridge.«
Einige der Sieger wirkten enttäuscht, und um Tunstall herum bildete sich eine wahrhaft düstere Wolke, doch die meisten jubelten, als der vor Freude strahlende Knappe niederkniete, um seinen Preis entgegenzunehmen.
»Ein Wunder, wenn der junge John nicht abhebt und bis zu den Dachbalken hinaufschwebt«, sagte Lady Eleanor und gesellte sich wieder an Gunnars Seite.
Gunnar sah, wie der Junge zusammenzuckte, als er sich erhob und das Bein schonte, das Tunstall getroffen hatte. »Er ist zu lädiert, um zu schweben. Er hat jedes Körnchen dieses Goldes verdient, und zwar doppelt.«
»Er bekam hilfreiche Unterstützung, wenn ich richtig informiert bin. Meine Lady Mutter sagte, Ihr hättet Tunstall entwaffnet, aber ich selbst habe es nicht gesehen. Sie möchte, dass ich Euch ihr vorstelle, bevor wir essen.« Sie beugte sich zu ihm hinüber, strich ihm über den Arm und flüsterte: »Sie weiß noch nicht, wer Ihr seid. Kommt, wir müssen auf die Seite gehen.«
Nun, da die Estrade geräumt war, eilte eine Schar Diener herbei, um die Hohe Tafel einzudecken, mit einem ellenlangen weißen Leinentischtuch und glänzenden Tellern.
Als der Earl und seine Lady schließlich vortraten, um sich auf ihren Lehnstühlen niederzulassen, fragte Eleanor Gunnar: »Seid Ihr bereit, Monsire? Mein Lord Vater kann … Achtung gebietend sein.«
»Ebenso wie seine Tochter.« Gunnar reichte ihr die Hand. »Ich glaube, ich bin mutig genug, um es mit Euch beiden aufzunehmen.«
Lächelnd schloss sie ihre Hand um seine und dirigierte ihn festen Schritts zur Hohen Tafel. Als sie sich ihr näherten, drehte Westmorland sich seiner Tochter zu. »Wer ist der Sieger, der Anspruch auf einen derart züchtigen Kuss erhob, Tochter?«
»Ein wahrer Held, Mylord, und darüber hinaus ein Mann, von dem ich mir schon lange wünschte, dass Ihr ihn kennenlernt. Darf ich Euch Sir Gunnar von Lesbury vorstellen. Den Ritter, der uns aus dem Feuer gerettet hat.«
»Auf Richmond?« Lord Ralph stand auf und kam hinter seinem Stuhl hervor, um
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