Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
als Helden gefeiert hatte – es war lange her, dass er es verdient hatte –, und es war ein schönes Gefühl, auch wenn es bedeutete, dass er nun nicht mehr umhinkam zu verschwinden.
Die alte Frau hatte gerade einen kühlenden Umschlag um seine Schulter mit der Brandwunde gelegt, als ein Page erschien und eine Verbeugung andeutete. »Ihre Hoheit erwartet Euch oben, Monsire. «
»Ihr könnt doch nicht unbekleidet zu ihr hinaufgehen, Monsire «, sagte die Alte, als Gunnar sich erhob. Grinsend reichte sie ihm sein Hemd. »So sehr ihr das auch gefallen würde. Aye, Ihr seid ein ansehnlicher Mann, trotz Eures Rückens.«
Gunnar schnappte sich das Hemd und streifte es hastig über den Kopf. Auf einmal fühlte er sich unbehaglich, obwohl weder die alte Frau noch die anderen hatten erkennen lassen, dass sie Anstoß an seinen Narben nahmen. Er selbst hatte seinen Rücken ja nie gesehen, doch dank der Kommentare einiger Huren war ihm bewusst, wie schlimm er aussah – gezeichnet von den Narben eines Kriegers, der schon viel zu lange lebte, und von den grausamen, tiefen Spuren eines Löwen, eines Bären, eines Wolfs und eines Hundes.
Bevor sich die Gefährten entschlossen hatten, ihre Leben weitgehend allein zu fristen, hatte ein jeder die Angriffe des anderen erdulden müssen, wann immer sich der Gestaltwandel, die Umwandlung von Mensch in Tier oder von Tier in Mensch, vollzog. In jenen anfänglichen, schlimmen Jahren war Gunnar sowohl als Mensch als auch als Stier gejagt worden, und im Verlauf der folgenden Jahrhunderte hatte er mehr als einmal Unschuldige vor Jafri, Steinarr, Brand oder einem umgewandelten anderen Gefährten beschützen müssen. Es waren ehrenhafte Narben, aber für jemanden, der das nicht wissen konnte, sahen sie aus, als wäre er ausgepeitscht worden wie ein Vogelfreier. Oder schlimmer noch, wie ein Sklave.
»Ihr solltet Euch den Ruß ein wenig abwischen, Monsire, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf«, fuhr die Alte fort, ohne etwas auf seine unbehagliche Miene zu geben.
Während ihm unter der Rußschicht noch heißer wurde, nahm Gunnar das feuchte Tuch, das die alte Frau ausgewrungen hatte, und wischte sich hastig das Gesicht ab. Dann zog er sein versengtes Gewand wieder an, schnallte seinen Gürtel um und steckte sein Schwert in die Scheide, während der Page wartete.
»Euer Name, Monsire? «
»Sir Gunnar von Lesbury.« Er nannte den Namen des Anwesens in der Nähe von Alnwick, das unter den Gefährten stetig weitergegeben wurde. Dann folgte er dem Pagen hinaus ins Freie und ging um den Turm herum zu der Außentreppe, die in die Haupthalle führte. Von dort stiegen sie die Stufen hinauf zum Familienzimmer, wo die Gemahlin des Herzogs auf einem Stuhl mit hoher Rückenlehne saß, wie üblich umgeben von etwa zwanzig jungen Edelfrauen, die sich bei ihr zur Erziehung befanden. Nun jedoch hütete sie einen Schwarm schmutziger Tauben, denn die Leinenkleider der Mädchen waren grau vom Rauch und ihre rußigen Gesichter tränenverschmiert. Als der Page Gunnar meldete, sah dieser sich um, nicht ganz sicher, bei welcher jungen Dame es sich um Lady Eleanor handelte.
Plötzlich fiel ihm auf, dass sämtliche Frauen aufgestanden waren. Stirnrunzelnd nahm er zur Kenntnis, dass die Herzogin auf ihn zuging und einen Knicks vor ihm machte.
»Aber nein, Euer Hoheit«, wandte Gunnar ein. »Ich bin nichts weiter als ein armer Ritter.«
»Ihr habt uns gerettet, Sir Gunnar«, sagte sie mit vor Überwältigung brüchiger Stimme. »Euch gebührt alle Ehre sowie ewige Dankbarkeit. Sicher hat Gott Euch in dieser Nacht geschickt.« Sie machte einen noch tieferen Knicks, dann erhob sie sich und ging einen Schritt zurück, während die jüngeren Frauen sich hinknieten und Gunnar leise ihre Dankbarkeit aussprachen.
Gott hatte ihn geschickt? Schon möglich. Aber das musste wohl ein anderer Gott gewesen sein als der, der mitten in der Nacht in einem Zimmer voll schlafender Frauen und Kinder ein Feuer hatte ausbrechen lassen. Gunnar schüttelte den Kopf. »Jeder Eurer eigenen Männer hätte dasselbe getan. Ich stand lediglich als Erster vor der Kemenate.«
»Und habt sie als Letzter verlassen«, sagte Ihre Hoheit. »Ihr seid viel zu bescheiden. Unser Kastellan erzählte mir, was Ihr für Lady Eleanor getan habt, als seine Leute sie hier hereintrugen.«
»Ich konnte sie doch nicht dort sterben lassen. Ebenso wenig wie die andere. Ihre, äh, Dienerin?«
Die Herzogin schüttelte den Kopf. »Eher Kammerjungfer als
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