Nachtkrieger: Unendliche Sehnsucht: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Und ich möchte sie nicht belügen.«
Nicht dass es ihr etwas auszumachen schien, wenn er lügen musste – so ließ ihr Ton durchblicken. Aber es gab zweierlei Arten von Lügen. »Ich verstehe, Euer Hoheit. Sagt Lady Eleanor … sagt ihr, sie wird mich wiedersehen, wenn sie wieder gesund ist.«
Die Herzogin sah ihn forschend an, dann breitete sich ein schelmisches Lächeln auf ihren Wangen aus. »Sehr gut, Monsire. Das kann ich bedenkenlos vertreten.«
Sie war wirklich hübsch, wenn sie so lächelte – der Herzog konnte sich glücklich schätzen. Als sie die Galerie erreicht hatten, sagte Gunnar noch einmal: »Ich muss nun dringend aufbrechen, Euer Hoheit.«
»Aber ich wollte Euch noch frische Kleidung geben, als Ersatz für diese hier. Lasst mich nach dem Steward schicken.«
»Das ist sehr freundlich, Euer Hoheit, aber ich habe keine Zeit.« Gunnar zerrte am versengten Saum seines Ärmels. »Das hier wird mich warm genug halten. Und mein Umhang ist nicht verbrannt.«
»Aber wir …« Die Herzogin sah sich um, als suche sie etwas. Schließlich zog sie einen Ring mit einem Rubin von ihrem Daumen. »Hier. Nehmt dies zum Dank für Eure Hilfe.«
»Aber ich …«
Sie drückte ihm den Ring in die Hand. »Nein. Lieber würde ich Euch neue Kleidung und eine Menge Gold zusätzlich geben, aber meine Schlüssel befanden sich in der Kemenate, und nun kann ich weder die Schatzkammer noch meine persönliche Schatulle öffnen. Nehmt den Ring, auch wenn er lediglich ein dürftiger Lohn ist für jemanden, der so viel getan hat.«
»Ich habe meine Pflicht als Mann erfüllt, Euer Hoheit. Mehr nicht.«
»Ihr habt uns allen geholfen, und Ihr habt Lady Eleanor gerettet. Da ist ein Ring bei weitem nicht genug. Ich möchte, dass Ihr ihn nehmt und ihn noch heute verkauft, um Euch warme Kleidung zu kaufen. Das könnt Ihr mir nicht abschlagen, nicht nachdem ich Euer Versprechen angenommen habe.« Wieder dieses verschmitzte Lächeln.
Errötend steckte sich Gunnar den Ring an den kleinen Finger. »Ich würde nicht wagen, einer so gütigen Lady etwas abzuschlagen, Euer Hoheit. Und ich bin Euch zutiefst zu Dank verpflichtet. Wenn Ihr nun erlaubt.«
Sie nickte. Er verbeugte sich und machte ein paar Schritte rückwärts, bevor er sich umdrehte und die Treppe hinunterging. Wenig später, er hatte sein Schwert wieder an sich genommen, überprüfte er die Gurte seiner Pferde, und als der bewölkte Himmel schließlich heller wurde, hatte er die Lichtung erreicht, wo Jafri und er jeden Morgen und Abend, bevor die Sonne aufging und die Sonne unterging, ihre Sachen hinterlegten und ihre Gestalt wechselten. Ein schwarzes, schlankes Tier schlich nicht weit entfernt durch die Schneewehen, und Gunnar band die noch immer unruhigen Pferde fester an als gewöhnlich, damit sie nicht vor dem Wolf davonlaufen konnten. Er streifte seine Kleider ab, und als er sie für den Tag verstaute, fiel eine Schneeflocke auf seine Wange und erinnerte ihn an Lady Eleanors zarten Kuss.
Im nächsten Augenblick wehte ein Windstoß sie davon, und beißend kalte umherwirbelnde Eiskristalle ließen seine Schulter und seine Hand erneut brennen, doch ihm blieb keine Wahl, er musste hier nackt und frierend stehen bleiben, bis der Schmerz der Umwandlung den seiner Brandwunden verdrängte und ihn zu Boden zwang.
Abermals kräuselte sich das Wasser – äußerst seltsam, wo doch ganz England gefroren war.
Cwen stand auf der Schwelle ihres Cottage mitten im Wald und starrte hinaus in den grauen Wintermorgen, der so kalt war, dass der Hauch ihres Atems zu Eis gefror und wie Schnee auf den Boden rieselte. Sie hatte all ihr Können aufwenden müssen, um eine derartige Kälte herabzurufen, und sie genoss den Anblick einer jeden Schneewehe und eines jeden gebrochenen Astes, denn sie wusste, dass all der elende Frost die Tier-Krieger bis zu ihren Lagerplätzen verfolgen würde. Selbst wenn sie Unterschlupf bei den Menschen fanden, lagen sie in diesem Augenblick vor Sonnenaufgang – so wie immer, wenn der Tag oder die Nacht anbrach – frierend und nackt im Schnee. Sicher baten sie bereits um den Tod, der ihnen niemals zuteilwerden würde.
Und dennoch war so vieles noch immer verkehrt.
Cwen drehte sich um zu dem Webstuhl in der Ecke und zu den neun Farben des Gewebes – eine Farbe für jeden der sieben verbliebenen Männer, dazu ein schwarzer Faden, gesponnen aus ihrem eigenen Haar, und ein rötlich brauner Faden, gefärbt mit ihrem eigenen Blut –, das zerfetzt vom
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