Nachtkrieger
sein, obwohl die vierzig Fastentage längst vorüber waren. Wenn ich mich streng an die Lehre der Kirche halten wollte, würde ich wohl nie wieder eheliche Freuden genießen. Es kann doch nicht sein, dass sie tatsächlich eine Sünde sind.«
»Meiner Ansicht nach sind sie das auch nicht, My Lady«, sagte Merewyn.
Alaida klangen noch immer Ivos strenge Worte im Ohr: »Ich kann dich nur warnen! Du weißt ja, was Vater Theobald bei deiner nächsten Beichte sagen wird.«
»Und wennschon, dann beichte ich eben!«, rief Alaida und bereute es sogleich. »Verzeih, Merewyn. Das Thema berührt einen wunden Punkt. Glaubst du, du kannst mir helfen?«
»Möglicherweise«, antwortete Merewyn. Sie fuhr mit den Fingerspitzen die Umrisse einer imaginären Figur auf der Tischplatte nach, während sie überlegte. Dann fragte sie: »Wie steht Ihr ansonsten zu Lord Ivo, My Lady? Wie sehr ist Euch an seinem Wohl gelegen?«
»Nun, er ist mein Ehemann.«
»Aye. Aber gehen Eure Gefühle auch darüber hinaus? Wenn er nicht Euer Ehemann wäre …«
Alaida schloss die Augen und versuchte, sich die Situation vorzustellen. »Vor einigen Monaten hätte ich behauptet, dass ich niemals etwas für ihn empfinden könnte. Ich war davon überzeugt, er sei wie alle Gefolgsmänner des Königs. Einer von Williams Leuten durch und durch. Mittlerweile jedoch sehe ich all seine guten Seiten. Denn trotz seiner sonderbaren Gewohnheiten ist er Alnwick ein guter Herr und gerecht zu seinen Untergebenen.« Sie musste an den Zwischenfall mit Wat denken und fügte hinzu: »Meistens jedenfalls. Wenn ihm doch einmal ein Fehler unterläuft, macht er ihn wieder gut, wodurch die Leute ihm noch treuer ergeben sind. Er hat es sogar geschafft, sich Lord Robert zum Verbündeten zu machen.«
»Und wie steht es mit Euch?«
»Er ist liebenswürdig, selbst dann, wenn ich es nicht verdiene. Er hat Tom zu seinem Knappen gemacht, um mir eine Freude zu machen, und das, obwohl ich ihm zu diesem Zeitpunkt nur Schlechtes unterstellte. Aber jedes Mal, wenn ich schlecht von ihm denke, belehrt er mich eines Besseren.« Errötend fügte sie hinzu: »Auch in unserer Hochzeitsnacht.«
»Das heißt, Ihr habt nichts dagegen, dass er Euch berührt?«
»Aye. Auch wenn es bislang nur selten war«, sagte Alaida seufzend und errötete noch mehr. »Er ist ein … sehr guter Liebhaber.«
»Und liebt Ihr ihn, My Lady?«
»Das … das weiß ich nicht«, gab Alaida ehrlich zu. »Ich weiß nur, dass er mich zum Lachen bringt, selbst wenn mir eigentlich gar nicht danach ist. Manchmal küsst er mich, und dann denke ich: Nun wird endlich alles gut. Wenn er mich doch ewig in seinen Armen halten könnte! Ich bin vollkommen verwirrt, Merewyn. Deshalb muss ich dich noch einmal fragen: Glaubst du, du kannst mir helfen?«
Merewyn sah Alaida lange schweigend an. Dann nickte sie zögernd. »Vielleicht weiß ich ein geeignetes Mittel.«
Sie zog sich einen Hocker heran, stellte sich darauf und nahm ein kleines Tongefäß vom obersten Regalbrett. Vorsichtig befreite sie es von Staub und Spinnweben und schnupperte prüfend daran. »Das wird möglicherweise helfen.«
»Was ist das?«, fragt Alaida.
»Ein ganz besonderer Trank aus seltenen Kräutern und Wurzeln, My Lady. Er wird nur dann gebraut, wenn in einem Monat zweimal Vollmond ist, was äußerst selten vorkommt. Gebt einen Tropfen davon in Euer Badewasser und reibt Euch damit ein. Anschließend müsst Ihr Euren Gemahl dazu bringen, im selben Wasser zu baden. Dann wird er Euch nicht widerstehen können.«
Hastig griff Alaida nach dem Tongefäß, doch Merewyn hielt es fest und sagte: »Es ist ein mächtiger Zauber, My Lady. Ihr müsst sehr vorsichtig damit umgehen. Und Ihr müsst Lord Ivo sagen, dass Ihr ein Kind erwartet.«
Alaida fühlte sich ertappt. »Wie kommst du darauf, dass ich das noch nicht getan habe?«
»Ihr wolltet es Euch selbst ja kaum eingestehen. Oder liege ich damit falsch?«
»Nein. Ich verspreche hoch und heilig, dass ich es ihm sagen werde.« Alaida nahm Merewyn das Gefäß aus der Hand und drückte es an ihre Brust. »Was soll ich machen, wenn ich ihn nicht dazu bringen kann, in das Badewasser zu steigen?«
»Dann badet selbst darin und trocknet Euch nicht ab. Eure nasse Haut wird genug der magischen Flüssigkeit enthalten. Je sicherer Ihr Euch dessen seid, desto leichter werdet Ihr Erfolg haben.«
Alaida nickte. Sie verstaute das Gefäß in ihrem Lederbeutel und achtete darauf, dass es senkrecht stehen blieb, als sie
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