Nachtkrieger
um Euch und mich zu foltern und Lady Beatrice zu töten.«
»Nein. O Gott, nur das nicht!« Alaida fiel vor der Wiege ihres Kindes auf die Knie und bekreuzigte sich.
»Beten hilft da nicht«, sagte Bôte. Sie füllte einen Becher mit Wein und drückte ihn Alaida in die Hand. »Trinkt das. Und zwar alles!« Alaida tat wie geheißen, und Bôte wartete, bis sie den Becher geleert hatte. »Nun hört mir gut zu: Lord Ivo ist eine größere Bedrohung für uns als die Kirche. Wir wissen nun, was er ist – ein Teufel, der zeitweilig die Gestalt eines Menschen angenommen hat, damit Ihr ihm ein Kind gebärt. Er wird Lady Beatrice rauben und uns beide töten.«
»Nein! Er würde uns niemals etwas antun.«
»Doch, das würde er. Ihm bleibt gar nichts anderes übrig. Denn solange wir am Leben sind, sind wir eine Gefahr für ihn und diese seine Freunde, die sicher aus demselben Grund zu den unmöglichsten Zeiten kommen und gehen. Alle drei sind Dämonen.«
»So oft habe ich ihn nach diesem Verhalten gefragt. Und er hat immer nur gesagt: ›Vertrau mir‹«, flüsterte Alaida. Bebend bewegte sich ihr Körper vor und zurück, als sie gegen das Bedürfnis zu schreien ankämpfte. »Und ich habe ihm vertraut. O Gott! Ich habe ihm vertraut, und er ist … Er ist ein …« Sie packte Bôte an den Schultern. »Was sollen wir denn jetzt machen?«
»Wir müssen fort, My Lady. Uns bleibt keine andere Wahl. Wir müssen fort sein, bevor er zurückkommt.«
»Aber …« Es fühlte sich nicht richtig an. Ivo war immer gut zu ihr gewesen, und er war ganz vernarrt in Beatrice. Aber auch der Satan liebte seine Brut. Alaidas Kopf fühlte sich an wie leer. »Ich weiß nicht weiter. Was soll ich nur machen?«
»Ihr müsst fort. Und zwar schnell, damit niemand erfährt, was Lady Beatrice ist und dass Ihr dem Teufel beigewohnt habt.«
»Aber das habe ich nicht«, widersprach Alaida. »Ich kann doch nichts dafür. Und Beatrice auch nicht.«
»Niemand wird Euch glauben, dass Ihr unschuldig seid, My Lady, denn man wird viel zu sehr damit beschäftigt sein, Euch und Euer Kind, das ja auch ein halber Dämon ist, auf den Scheiterhaufen zu bringen. Deshalb müssen wir fort.« Ohne Alaidas Entscheidung abzuwarten, machte Bôte sich daran, warme Kleidung zusammenzusammeln. Dann zerrte sie Alaida auf die Füße und sagte: »Zieht Euch an, My Lady, und nehmt so viel Gold und Silber mit, wie Ihr tragen könnt. Wir werden es brauchen, denn wir werden nach Schottland fliehen. Dort wird er uns nicht finden.«
Alaida, die noch immer unter Schock stand, tat, was Bôte mit solcher Vehemenz von ihr forderte. Sie zog warme Unterwäsche, Schuhe und zwei schwere Wollkittel an, darüber ihr wärmstes Kleid und ihren Umhang. Dann schüttete sie ihre Schatulle aus und füllte ihren und Bôtes Beutel mit Geld. Die übrigen Münzen sowie ein paar Schmuckstücke verstaute sie in ihrem Kleiderbündel. Während Bôte alles, was vom Abendessen noch übrig war, in ein Tuch wickelte, versteckte Alaida die restlichen Schmuckstücke in den Wickeltüchern des Babys und packte es gegen die Kälte in weitere Tücher ein. Beatrice wachte auf und begann zu weinen.
»Ich sollte sie vorher noch stillen, damit sie nicht alle anderen im Haus weckt.«
»Später! Ich habe nicht die geringste Lust, wegen dieses Dämons auf dem Scheiterhaufen zu landen«, sagte Bôte und beugte sich über die Wiege. Alaida konnte nicht sehen, was sie dort tat, aber Beatrice hörte auf zu weinen. »So wird es erst einmal gehen. Ich weiß, wo Ihr sie stillen könnt, aber zunächst müssen wir fort von hier. Beeilt Euch, My Lady. Sir Ari wird jeden Moment kommen. Er würde uns niemals fortlassen. Schließlich ist er einer von ihnen.«
»Was ist mit Oswald und den anderen? Wie sollen wir ihnen alles erklären?«
»Lasst das meine Sorge sein. Wartet hier!« Bôte schlich sich hinaus. Kurz darauf kam sie mit einem Schlauch Wein und einem ganzen Käse zurück, den sie Alaida zusammen mit dem Bündel Kleidung in die Hand drückte. »Das Glück ist uns hold, My Lady. Alle anderen schlafen noch. Wir müssen leise sein.«
Bôte nahm Beatrice auf den Arm. Dann schlichen sie die Treppe hinunter und durch die Halle, wo hier und dort vereinzeltes Schnarchen zu hören war. Der Nebel war so dicht, dass er sämtliche Geräusche verschluckte und alles gespenstisch aussah. Auf dem Hof begegnete ihnen niemand, und auch der Wächter am Ausfalltor schien verschwunden zu sein. Bôte hängte den Sperrbalken aus und stieß
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