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Nachtkrieger

Nachtkrieger

Titel: Nachtkrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Hendrix
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nächsten Tag lange schlafen, ganz so, wie es Ivo tat. Je weniger Leute Ivo und Brand im Morgengrauen fortreiten sehen würden – und ihn, Ari, ankommen –, desto besser.
    Aber heute musste das Gesinde des Herrensitzes sich abstrampeln, um die verlorene Zeit aufzuholen. Was Ari selbst betraf, so zog er es vor, den Leuten aus dem Weg zu gehen. Er lungerte in der Halle herum und wartete darauf, dass Ivos Lady erschien – was so lange dauerte, dass er in der Zeit beinahe ein ganzes Hochzeitsgedicht erdacht hatte.
    Gerade suchte er nach den passenden Worten für die letzte Strophe, als die Tür aufflog. Ari sah auf und erblickte Alaida im selben Moment wie sie ihn. Er erhob sich. Sie blieb stehen und sah ihn argwöhnisch an.
    »Lady Alaida, vermute ich.« Ari ging einen Schritt auf sie zu und ließ sich auf ein Knie nieder. »Guten Morgen. Ich bin …«
    »Falls Ihr ein weiterer dieser Freier seid, die um meine Hand anhalten wollen, dann kommt Ihr zu spät«, unterbrach Alaida ihn mit schneidender Stimme. »Ich werde in wenigen Stunden heiraten.«
    »Ah, ich würde ja versuchen, um Eure Hand anzuhalten, aber Ivo würde mich dafür kastrieren, und das möchte ich lieber vermeiden.«
    »Dann seid Ihr also einer seiner Männer? Ihr seid ganz schön dreist!«
    »Wohl wahr. Wohl wahr. Mein Name ist Ari«, gab er zurück und richtete sich auf. »Meines Herrn Seneschall und Verwalter der neuen Burg.«
    »Nun gut. Dann kümmert Euch um diese neue Burg.« Alaida rauschte zur Tür hinaus und überquerte den Hof in Richtung Tor.
    Lachend lief Ari hinter ihr her. Mit einer Geste winkte er die Torwächter zur Seite und rief: »Wohin so eilig, My Lady?«
    »Wollt Ihr Steward oder Kerkermeister werden?«, gab Alaida zurück.
    »Kerkermeister ist ein grobes Wort. Nennen wir es lieber … Begleiter.« Eisregen peitschte Ari ins Gesicht. Er musste an den Adler und den Bären denken, die im Wald froren.
    »Ich brauche keinen Begleiter. Ich werde schon nicht davonlaufen.«
    »Umso besser. Dann können wir gemeinsam einen schönen Spaziergang machen – wenn man einen Spaziergang bei diesem Wetter überhaupt als schön bezeichnen kann. Was sagtet Ihr noch? Wohin gehen wir?«
    »Ich sagte gar nichts. Aber wenn Ihr es unbedingt wissen wollt: Ich gehe ins Dorf, um mir vor Augen zu halten, warum ich nicht davonlaufe.«
    Wie Ari auf dem Weg feststellen musste, liebten die Leute von Alnwick Alaida. Bleichgefrorene Gesichter strahlten bei ihrem Anblick. Grüße und allerlei gute Wünsche begleiteten sie, während sie durch die Kälte stapfte. Er folgte ihr bis ans Ende des Dorfes, wo vereinzelt ein paar kleine Cottages standen, die Katen der Ärmsten. Alaida betrat eines der armseligen Häuser, schürte das Feuer und flößte der kränkelnden Ehefrau eine Schüssel heiße Suppe ein. Dann legte sie sieben Silbermünzen auf den Tisch und besuchte die nächste Kate, wo sie dasselbe tat.
    Als sie die dritte Kate verließen, konnte Ari seine Neugier nicht länger bezwingen. »Warum verteilt Ihr bereits jetzt Almosen und nicht erst nach der Hochzeit, My Lady?«
    »Weil ich jetzt noch die Möglichkeit dazu habe.«
    »Bedaure, My Lady, das verstehe ich nicht.«
    »Noch ist es
mein
Geld«, antwortete Alaida. »Sobald ich verheiratet bin, wird es
sein
Geld sein. Heute Abend werde ich viele Dinge hergeben müssen. Aber dieses Geld gebe ich freiwillig her.«
    »Wenn Ihr glaubt, Euer künftiger Gemahl wolle Euch an den Geldbeutel, dann täuscht Ihr Euch gewaltig in ihm.«
    »Er hat mir bereits gezeigt, zu welcher Sorte Mann er gehört«, gab Alaida zurück. »Er hat sogar damit geprahlt, er habe einst ein Kloster dem Erdboden gleichgemacht.«
    Das ist doch schon über zweihundert Jahre her,
dachte Ari, aber das konnte er natürlich nicht sagen. »Das war im Krieg, und die Mönche waren bis an die Zähne bewaffnet. Soweit ich mich erinnere, haben sie mehr als einen Schädel gespalten.«
    »Mönche? Es waren gar keine Nonnen?«, fragte Alaida erstaunt und fegte den Gedanken sogleich beiseite. »Wie auch immer, er sagte, er würde nicht zögern, es noch einmal zu tun, wenn ich ins Kloster gehe.«
    Ivar, dieser Dickkopf!,
fluchte Ari im Stillen. Mit einer Drohung konnte man das Herz einer Dame wohl kaum gewinnen. Andererseits jedoch, wenn er sich vor Augen hielt, welchen Eindruck sie am Abend zuvor vermittelt hatte, schien sie nicht unbedingt das zarteste Pflänzchen Englands zu sein.
    »Je nachdem, wie viel Ihr ihm bedeutet, würde er das wohl«, räumte

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