Nachtkrieger
gemeinsam mit den anderen Zeugen seine Glückwünsche aussprach.
So waren sie nun verheiratet, und Vater Theobald musste nur noch die Messe lesen. Er tat dies in rasender Geschwindigkeit auf Latein, wohl aufgrund der Bemerkung, die Brand zuvor gemacht hatte, oder weil ihm selbst die Kälte in die Knochen kroch. Kaum hatte er das letzte Amen ausgesprochen, machte sich die Gesellschaft auf den Weg in die Halle, wo es um einiges wärmer war. Dorfbewohner und Gesinde strömten lachend und schwatzend herein in Erwartung des Festmahls.
Vor dem Essen hatte sie aber noch einen weiteren Rechtsakt zu ertragen, der ob der Kälte nicht in der Kapelle hatte stattfinden können: Sie musste ihrem Gemahl als Herrn von Alnwick Ehrerbietung erweisen, indem sie ihm huldigte. Das war der schwierigste Teil, der Akt, mit dem sie ihm die Herrschaft über den Grundbesitz ihres Großvaters übertragen würde. Das Wissen, dass es bloß eine Formsache war, dass Lord Ivo dem König seinen Lehnseid schon geleistet hatte, den Grundbesitz somit schon besaß, machte es ihr keineswegs leichter, an seiner Seite zur Stirnseite der plötzlich stillen Halle zu schreiten. Alaida kniete vor Ivo nieder, ignorierte die Kälte und hob die Arme wie zum Gebet. Ivo umschloss ihre Hände mit seinen und sah ihr fest in die Augen.
»Willst du ohne jeden Vorbehalt die Meine sein?«
Alaida hatte plötzlich ein Summen im Kopf, als hätte sich ein Bienenschwarm auf ihren Ohren niedergelassen. Stumm sah sie Ivo an. Ohne Vorbehalt
die Seine?
Die Frage des Lords um Gehorsam war Teil der Zeremonie, aber er hatte die Frage am Abend zuvor, als die Männer vor ihm knieten, nicht in dieser Form gestellt. Jedenfalls nicht in diesem Wortlaut, mit all seiner Doppeldeutigkeit.
»My Lady?«, drängte der Priester.
Es ist nur eine Formalität, beruhigte Alaida sich, ignorierte die innere Stimme, die ihr etwas anderes sagte. Es war Teil der Zeremonie. Sie hob ihr Kinn.
»Das will ich«, sagte sie leise mit heiserer Stimme. Dann räusperte sie sich und sprach lauter. »Ich, Alaida, verspreche, Euch eine treue Lehnsfrau zu sein, Euch stets zur Seite zu stehen. Ich erkenne Euch als den rechtmäßigen Lord von Alnwick an« – nun drohte ihre Stimme vollends zu versagen, so dass sie sich abermals räuspern musste – »und ich will Euch als meinen Herrn annehmen, Euer Untertan sein und mich Euch unterwerfen. Das schwöre ich vor Gott und diesen Zeugen.«
»Ich nehme deine Huldigung an und nehme dich als die Meine an«, sagte Ivo. Er ließ Alaidas Hände los, aber sein Blick ruhte noch immer auf ihr, jetzt sanfter. »Dafür sichere ich dir sowohl ein Drittel meines Landes als Witwenrente zu als auch die Gaben, die in dem Ehevertrag aufgeführt sind, den wir unterzeichnet haben. Dafür will ich nur deinen Treueid. Willst du mir
deine
Lehnstreue schwören?«
Witwenrente? Gaben?
Sie hatte geglaubt, der Vertrag hätte nur Ivos Rechte bestätigt, nicht ihre eigenen. Letzten Endes war er ja auch der Begünstigte. Wofür leistete sie gerade ein Treueversprechen? »Das will ich, My Lord.«
Ivo zog eine Augenbraue hoch, als wolle er fragen:
Na, wäre es nicht doch besser gewesen, auf Geoffrey zu hören und den Vertrag zu lesen?
Vater Theobald hielt Alaida das Evangelienbuch hin, damit sie es küssen konnte, und sie legte beide Hände auf den edelsteinbesetzten Einband: »Ich verspreche, von diesem Tage an, meinem Herrn eine … eine treue und aufrichtige Vasallin zu sein.« Nicht darauf gefasst gewesen, stolperte sie durch den Rest des Versprechens. Dann erklärte Ivo mit einem Kopfnicken die Zeremonie für beendet. Alnwick gehörte ihm, so wie Alaida in jeder Hinsicht, abgesehen von einer.
Als er ihr die Hand reichte, um ihr beim Aufstehen behilflich zu sein, zog sich angesichts dieser Erkenntnis ihr Magen zusammen. Verärgert schob sie den Gedanken beiseite. Damit würde sie sich später beschäftigen. Im Moment wollte sie nicht einmal daran denken.
Nachdem Alaida und Ivo ihren Platz an der Hohen Tafel eingenommen und ihre Hände gewaschen hatten, ertönte das Horn, und die Diener begannen aufzutragen, beluden die Tische mit so viel Fleisch und Köstlichkeiten, bis die Schragen ächzten. Angesichts der knappen Vorbereitungszeit erwies Geoffrey seinem neuen Herrn die Ehre, was Alaida wenig begeistert zur Kenntnis nahm. Die in der Halle würden beinahe so gut speisen wie am Weihnachtstag, und die vor dem Tor – die Ärmsten und Bettler aus der Umgebung – würden genug Reste
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