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Nachtkrieger

Nachtkrieger

Titel: Nachtkrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Hendrix
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bekommen. Am nächsten Morgen wäre Ivo de Vassy als großzügiger Lord bekannt. Ob sich das hielt, würde man noch sehen.
    In Ermangelung eines Knappen bat Ivo Oswald, ihm und Alaida das Fleisch aufzuschneiden. Im Umgang mit der Klinge versiert, tranchierte der Marschall das Hammel- und Schweinefleisch fachmännisch und stapelte die feinen Scheiben auf ihrem gemeinsamen Brett auf. Er legte ein Stück Lachsfilet und ein paar Heringe daneben, brach dann die Keule einer Gans heraus, als zupfe er ein Laubblatt ab, und legte sie dazu. Zu guter Letzt schnitt er eine Fleischpastete an.
    »Kein Taubenfleisch«, lehnte Ivo entschieden ab. »Nehmt es fort.«
    Oswald winkte einen Jungen herbei und befahl ihm, die Pastete hinauszutragen. Stattdessen legte er ein Stück Aal auf das Brett, bevor er es zwischen Ivo und Alaida schob, dass sie sich bedienen konnten.
    Ivo schnitt ein Stück mit Kräutern gewürzte Schweinekruste ab und hielt es Alaida hin. Es war eine dieser Aufmerksamkeiten, die ein Ritter einer Lady zuteilwerden ließ, ein Bursche seiner Liebsten oder ein Ehemann seiner Ehefrau. Offenbar hatte Ivo dieser Geste bereits mit Freude entgegengesehen – ganz im Gegensatz zu Alaida, die lieber verhungert wäre, als aus seiner Hand zu essen.
    Achselzuckend schob Ivo sich die Kruste in den Mund und sagte: »Früher oder später müsst Ihr sie wohl aufmachen.«
    Alaida hob den Kopf und sah ihn fragend an.
    »Eure Hände«, sagte er und wies auf ihren Schoß. »Und den Mund. Es wundert mich, dass es Euch nicht schmerzt.«
    »Es gibt nur eine Sache, die mich schmerzt.«
    Ohne darauf einzugehen, fuhr Ivo fort: »Ich habe Leute gesehen, die an weniger zusammengebissenen Zähnen gestorben sind.« Er trank einen kräftigen Schluck Birnenmost und reichte Alaida den Pokal, den sie ebenfalls ablehnte. »Nun kommt, Alaida. Ihr habt Euren Spaß gehabt, so wie ich auch. Lasst uns Waffenstillstand schließen, sonst werdet Ihr noch verhungern.«
    »Spaß? So nennt Ihr das also? Mich Eurem
Willen
beugen. Glaubt Ihr etwa, ich wüsste nicht, wie das gemeint war …?«, fragte sie mit einer vagen Geste in Richtung seiner Genitalien.
    »Ihr habt diesen Kampf begonnen, My Lady. Mit dem Habit und den Reden. Ich kontere nur, Schlag auf Schlag.« Grinsend fügte er hinzu: »Wenngleich humorvoller.«
    Wütend funkelte sie ihn an, obwohl ihr Zorn bereits ein wenig verraucht war. Eigentlich hatte er ja recht. Sie hatte an diesem Abend mit alldem angefangen. Und was die zweideutigen Bemerkungen betraf, mit denen er sie in Verlegenheit gebracht hatte, so waren sie nicht schlimmer als alles, was sie bereits auf anderen Hochzeiten gehört hatte. Darüber hinaus hätte manch anderer ihr Benehmen vor den Gästen wohl eher mit einem Fausthieb quittiert als mit Gelächter.
    »Wie Ihr wollt, My Lord. Waffenstillstand.« Abermals musste sie daran denken, was ihr nach dem Essen bevorstand. »Vorerst zumindest.«
    »Vorerst«, stimmte Ivo zu. »Dennoch müssen wir unseren Vertrag besiegeln.« Er legte ihr einen Finger unter das Kinn, hob ihren Kopf und beugte sich zu ihr hinüber. »Mit einem Kuss.«
    ›Nein‹, wollte sie bereits sagen, schloss jedoch angesichts des Waffenstillstands die Augen und wartete auf Ivos Kuss.
    Und wartete.
    Sie schlug die Augen auf. Er saß noch immer in derselben Pose da, zu ihr hinübergebeugt, den Finger unter ihrem Kinn und lächelnd, offensichtlich darauf wartend, dass sie ihn küsste. Das war kein Waffenstillstand. Das war eine weitere Aufforderung, sich zu unterwerfen.
    Während Ivo seelenruhig wartete, spürte Alaida sämtliche Blicke auf sich gerichtet.
    »Na komm, Alaida«, raunte er ihr zu.
»Frieden.«
    Wütend beugte sie sich vor und drückte ihm einen hastigen Kuss auf die Lippen. »Da!
Frieden
sei mit Euch.«
    Ivo brach in schallendes Gelächter aus. »Bei Gott, Frau, Ihr mögt das Küssen noch nicht beherrschen. Aber angesichts Eurer flinken Zunge wird es mir ein Vergnügen sein, es Euch zu lehren.«
    Im Nachhinein hätte Alaida nicht sagen können, wie sie sich dazu hatte hinreißen lassen können. Sie wusste nur, dass sie es auf einmal leid war. Sie war es leid, ihm unterlegen zu sein und sich lächerlich zu machen. Sie war es leid, dass er … Sie wollte, dass ihm das Lachen verging. Und sie wollte ihre Halle zurück.
    »Eine solche Lektion wird nicht nötig sein, My Lord.« Blitzschnell zog sie ihr Messer hervor und rammte es in die Armlehne seines Stuhls, dicht neben seinem Oberschenkel. Instinktiv riss Ivo

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