Nachtkrieger
sich über das Bett, um Alaida einen Kuss auf den zerzausten Haarschopf zu geben. Sie duftete noch immer nach den Kräutern, die die Motten abhalten sollten, und nach Sex. Ivo atmete tief ein, damit ihn ein Hauch dieses Geruchs begleitete.
»Ich würde etwas darum geben, noch bleiben zu können, mein Herzblatt. Träum von mir.«
Sie stieß einen Seufzer aus und vergrub sich tiefer in den Fellen. Auch Ivo seufzte, als er die Bettvorhänge schloss, um ihr ein wenig Schutz vor der Kälte zu verschaffen. Er nahm sein Schwert, das Brand in eine Ecke des Zimmers gehängt hatte, trank hastig ein paar Schlucke Bier, brach ein Stück Brot ab, das zu den Vorräten gehörte, die sich immer oben in den herrschaftlichen Wohn- und Schlafräumen befanden, bevor er seine schlafende Frau verließ.
Unten in der Halle war es nahezu vollkommen dunkel. Die Fackeln und die meisten der Kerzen waren längst ausgebrannt. An einem der stehengebliebenen niederen Tische schliefen zwei Männer über ihren Trinkbechern. Alle anderen lagen wie auf einem Schlachtfeld verstreut herum, auf Bänken und auf dem Boden, bei einer Luft, die nach schalem Bier und Schweiß roch und dick war wie Rauch. Die Frauen mussten sich in die Vorratskammer zurückgezogen haben, denn sie waren in der Halle nicht zu sehen, als Ivo sich um die schlafenden Männer herummanövrierte und hinaustrat in die Dunkelheit.
Im Innenhof wartete Brand bereits mit den Pferden, deren dampfender Atem sich im Mondlicht kräuselte. »Du bist spät dran.«
»Ich war beschäftigt.«
Brand warf Ivo seinen Umhang zu, während der Rabe sich vom dunklen Nachthimmel löste, sich auf seine Schulter setzte und mit den Flügeln schlug. »Das dachte ich mir bereits. Deshalb habe ich dir den hier ja geschickt.«
»Gute Idee. Er kann mich jeden Morgen wecken.« Das Brot zwischen den Zähnen, legte Ivo sich den Umhang um, schloss ihn mit der Fibel und prüfte rasch den Sattelgurt seines Fax. »Wir müssen uns beeilen. Wache!«
»My Lord?« Der Wächter trat aus der Dunkelheit, gefolgt von einem weiteren Mann. »Wir hatten nicht erwartet, dass Ihr bereits zu dieser frühen Stunde ausreiten wollt.«
Eine Frage schwang unüberhörbar in seinen Worten mit. Eine Frage, die Ivo erwartet hatte und die man sich wohl noch häufiger an diesem Tag stellen würde, sobald sich herumgesprochen hatte, dass er seine junge Gemahlin noch vor Tagesanbruch allein zurückgelassen hatte. Den Göttern sei Dank, dass das Bettlaken eindeutig bezeugte, dass die Ehe vollzogen und Alaida noch Jungfrau gewesen war. So bestand kein Anlass, seine Manneskraft oder gar den Ruf seiner Gemahlin in Zweifel zu ziehen. Dennoch würde sein Verhalten Fragen aufwerfen. Insbesondere bei diesen dämlichen Zeugen!
»Ich reite seit Jahren in aller Frühe aus. Daran wird auch eine Frau nichts ändern«, sagte Ivo und wünschte, es wäre anders. »Eine Gemahlin schon gar nicht«, fügte er hinzu und schwang sich in den Sattel.
Die beiden Wächter grinsten vielsagend, offenbar der gleichen Meinung. Im Vertrauen darauf, dass sie wortgetreu wiederholen würden, was er gesagt hatte, und somit die Neugier der anderen zumindest teilweise befriedigt würde, befahl er ihnen mit einer Geste, das Tor zu öffnen. Im nächsten Moment waren Brand und er bereits auf dem Weg zu einem Stück Brachland, das der Rabe tags zuvor erspäht hatte.
Als sie sich der Grenze der Domäne näherten, siegte schließlich Brands Neugier.
»Heraus mit der Sprache, mein Freund! Hast du oder hast du nicht?«
»Was habe ich oder habe ich nicht?«, fragte Ivo, mit einem Blick über die Schulter, und hatte seinen Spaß daran, mehr als erwartet.
»Hat sie gestöhnt? Oder gelacht?« Brand brachte seinen Kraken zum Stehen. »Oder sonst etwas in der Art?«
Grinsend ritt Ivo auf seinem Pferd im Halbkreis um Brand herum, bis er genau vor ihm stand. Er streckte eine Hand aus: »Ich hätte auf jedes einzelne Mal wetten sollen. Dann könnte ich ihr einen Armreif schenken und einen weiteren verkaufen.«
»Alle Achtung!«, sagte Brand. Lachend zog er den Ärmel hoch, streifte seinen Armreif ab und gab ihn Ivo. »Stell dir nur einmal vor, die Frau würde dich auch noch mögen.«
»Ich glaube, dann würde ich bald tot umfallen«, sagte Ivo und streifte sich den Armreif über.
»Wenn es für uns so leicht wäre zu sterben«, brummte Brand, »würde ich mir noch heute eine Ehefrau suchen, um mich umzubringen.«
Der Rabe auf seiner Schulter krächzte zustimmend.
»Es hat
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