Nachtkrieger
Risiko eingehen, sie zu schwängern.«
Das Kartenhaus, das Ivo errichtet hatte, fiel in sich zusammen. Er fühlte sich leer und ausgebrannt. »Das könnte bereits geschehen sein.«
Einen Moment lang zog Brand diese Möglichkeit in Betracht, doch dann verwarf er den Gedanken. »Es war nur eine Nacht, und der Mond stand nicht günstig. Nur wenige Frauen empfangen, wenn der Mond ungünstig steht.«
Wenige, aber immerhin einige,
dachte Ivo.
»Wir müssen fort«, sagte Brand besonnen. »Noch heute Nacht. So wird es leichter für sie sein, und für dich auch. Ari kann hierbleiben, um über sie zu wachen und dich wissen zu lassen, ob sie …«
»Nein.«
»Aber er könnte doch …«
»Nein!« Wie hätte er sie verlassen können? Ihre Glut, ihre zarte Haut, ihr Haar, ihr Duft – all das zurücklassen, bevor es überhaupt richtig begonnen hatte? Damit
Ari
über sie wachte! »Sie ist meine Frau. Wenn jemand über sie wacht, dann ich.«
»Wenn du bei ihr bleibst, wirst du sie auch begehren.«
Dem konnte Ivo nicht widersprechen. Ganz sicher wäre es so. Er begehrte sie ja bereits in diesem Moment. Er wandte sich ab und starrte ins Feuer, um Brands Blick auszuweichen. »Es gibt Möglichkeiten, Erfüllung bei einer Frau zu finden, ohne die Gefahr, dass ein Kind entsteht. Freya hat sie uns alle gelehrt, oft genug habe ich davon Gebrauch gemacht.«
»Deinen Samen in die Laken zu ergießen ist nicht immer ein sicheres Mittel«, gab Brand zu bedenken.
»Dann werde ich sie lehren, Hände und Mund zu benutzen.«
»Und wie lange soll das so gehen? Ehe du dich versiehst, liegst du auf ihr und denkst, einmal ist keinmal.«
»Das wird nicht geschehen.«
»Du müsstest dich einmal hören! Es wird geschehen. Deine Stimme verrät dich bereits. Das Ganze ist Wahnsinn.«
»Das war es von Beginn an. Unser ganzes Leben ist Wahnsinn.« Glühende Asche löste sich von einem Holzscheit und fiel Ivo vor die Füße. Er trat die Glut aus und hinterließ einen schwarzen Fleck auf der Steinplatte vor der Feuerstelle – schwarz wie die Flügel eines Raben. »Ich habe nie um eine Frau gebeten, aber die Götter gaben sie mir. Dafür muss es einen Grund geben, abgesehen von den Freuden einer Nacht.«
»Sei dankbar für diese Nacht und geh fort. Letzten Endes ist sie nur eine Frau. Und du wusstest, es wäre nur von kurzer Dauer.«
»Aber nicht von so kurzer Dauer. Nein. Ich möchte sie und diese Halle behalten, solange es mir möglich ist. Wenn du mir nicht beistehen willst, dann geh.«
»Ohne dich gehe ich nirgendwohin. Aber als dein Freund und Befehlshaber muss ich dir davon abraten. Du darfst keine weitere Nacht mit ihr verbringen.«
Ivo straffte die Schultern. Er drehte sich um zu Brand und sah ihm in die Augen. »Du hast mir deine Bedenken mitgeteilt. Deine Pflicht ist damit erfüllt. Nun geh zurück nach unten! Meine Frau möchte dir das Schachspiel beibringen. Sag ihr, ich komme gleich!«
Wütend über Ivos herrischen Ton kniff Brand die Augen zusammen. Er riss die Tür auf und blieb noch einmal kurz stehen, um eine letzte Warnung auszustoßen. »Tu das nicht!«
Ivo blieb allein zurück. Seine Schläfen pochten, und er musste gegen das Bedürfnis ankämpfen, den verfluchten Raben mit einem Pfeil zu durchbohren. Zur Hölle mit Ari und seinen Visionen! Er musste sich geirrt haben. Niemals würden die Götter zulassen, dass ein unschuldiges Kind mit einem Fluch belegt wurde, um ein paar unbedeutende Krieger zu bestrafen – nicht einmal Ran oder Loki wären derart niederträchtig. Es konnte ganz einfach nicht sein.
Noch immer kämpfte Ivo gegen seine Wut an, als Alaidas Stimme heraufschallte. Sie war dabei, Schachfiguren und Züge zu erklären. Nicht mehr lange, und sie würde tun, was er ihr aufgetragen hatte. Sie würde heraufkommen, sich ihrer Kleidung entledigen und sich zu ihm legen, bereit, sich ihm hinzugeben. Und dann … Was sollte er ihr dann sagen? Dass er diese Gabe nie wieder würde annehmen können? Dabei stand sie ihm doch zu. Schließlich war er ihr Mann.
Voller Wut schlug er mit der Faust gegen die Wand. Die dünne Schicht Verputz bröckelte, und Staub wirbelte auf, grau wie der Rauch aus Vater Theobalds Weihrauchfass. Der Schmerz in der Hand brachte Ivo zur Besinnung und ließ ihn wieder klar denken. Er klopfte sich den Staub ab und ging dann die Treppe hinunter in die Halle, wo er es vermied, den Raben auf seiner Stange auch nur anzusehen.
Brand hatte die Partie bereits eröffnet. Alaida hatte Vater
Weitere Kostenlose Bücher