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Nachtkrieger

Nachtkrieger

Titel: Nachtkrieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Hendrix
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aufgeschnitten hatte, um die Götter durch ein Blutopfer dazu zu bringen, ihm etwas mitzuteilen. Manchmal erzielte er damit den gewünschten Effekt, doch wesentlich häufiger war das Gegenteil der Fall.
    An diesem Tag hatte er offenbar Erfolg gehabt. Er hatte beide Male die gleichen Bilder gesehen: Alaida, ein Vogel, ein Baby. Ein Baby? Ivo musste lächeln. Es wäre schön, einen Sohn zu haben, selbst wenn er nicht sehen würde, wie er aufwuchs. Doch Aris nächste Worte ließen sein Lächeln abermals ersterben und schnürten ihm die Kehle zu. Ari hatte gesehen, dass ein Adler sich aus der Wiege erhob und durch das offene Fenster des herrschaftlichen Gemachs flog. Alaida stand schreiend daneben, und Cwen grinste triumphierend.
    Ohne weiterzulesen, zerknüllte Ivo das Pergament. »Das ist absurd! Selbst als Adler würde ich meinem eigenen Kind niemals etwas antun.«
    »Das ist es auch nicht, was Ari gesehen hat, Ivar. Lies weiter!« Brand legte ihm beschwichtigend eine Hand auf die Schulter. »Er sah, wie das Baby selbst sich verwandelte. Und er glaubt … Anscheinend überträgt sich der Fluch auf unsere Nachkommen.«
    »Nein«, stieß Ivo zwischen den Zähnen hervor und hatte Mühe, die Abendmahlzeit bei sich zu behalten. »Nein.«
    »Es tut mir leid, mein Freund«, sagte Brand.
    »Nein«, wiederholte Ivo und wich zurück. Rastlos lief er hin und her. »Das ist vollkommen unmöglich. Vielleicht war Aris Sicht getrübt.«
    »Offenbar konnte er genug sehen, um all das niederzuschreiben.«
    »Er schreibt eben gern, das weißt du doch«, entgegnete Ivo. Sein Verstand und sein ganzer Körper wehrten sich gegen die Scheußlichkeit. »Er muss sich getäuscht haben, auch in Bezug auf Cwen.«
    »Sie lebt.«
    »Das tut sie nicht! Und weil sie es nicht tut, kann die Vision nicht wahr sein«, redete Ivo sich ein und wiederholte hartnäckig: »Ich sage es noch einmal: Ari hat sich geirrt.«
    »Ivar …«
    »Er hat sich geirrt! Und ich frage mich, warum du ihm überhaupt glauben möchtest.«
    »Möchte? Denkst du etwa, ich
möchte,
dass es so ist?«, stieß Brand beinahe rasend vor Wut und Verzweiflung hervor. »Ich selbst habe doch all das verursacht! Es ist meine Schuld, dass Cwen uns verflucht hat. Ich habe ihren Sohn getötet. Es ist schlimm genug, in dem Bewusstsein zu leben, dass ich meine Männer ins Verderben gestürzt habe. Wenn nun auch noch unsere Kinder …« Brand fand keine Worte. Bebend stand er da und versuchte, seine Fassung wiederzugewinnen. »Die vergangenen beiden Tage haben mir mehr Hoffnung gegeben, als ich je verspürt habe, seit wir verflucht sind. Dich in deiner eigenen Halle zu sehen, mit deiner Frau … Du hast so etwas wie ein Leben, Ivar. Du bist der Erste von uns, der es geschafft hat. Ich möchte ebenso wenig wie du, dass Ari recht hat. Aber er hat es gesehen.«
    »Er hat irgendetwas gesehen«, war Ivo bereit einzuräumen. »Vielleicht hat er die falschen Schlüsse daraus gezogen, oder … oder vielleicht wollten die Götter ihm einen Streich spielen.«
    »Vielleicht willst du dir selbst einen Streich spielen«, sagte Brand kopfschüttelnd. »Du darfst keine weitere Nacht mit ihr verbringen.«
    »Keine weitere …? Aber ich habe erst eine Nacht mit ihr verbracht, Mann! Eine einzige Nacht. Und es war …« Ivo fand keine Worte, um zu beschreiben, was diese eine Nacht ihm bedeutete und dass er sich nach mehr sehnte. In all den Jahren war ihm nicht einmal bewusst gewesen, wie sehr er Nächte wie diese vermisst hatte. Für Brand hingegen schien alles ganz einfach: Er hatte keine Frau mehr gehabt, seit sie in ihrer Heimat Segel gesetzt hatten. Als Ivo daran dachte, fielen ihm plötzlich die passenden Worte ein. »Hätte eine Nacht mit Ylfa dir etwa gereicht?«
    Brand hielt die Luft an, als hätte man ihm einen Fausthieb versetzt. Die Erinnerung an seine Frau, die vor langer Zeit gestorben war, traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube. Ivo war sich dessen bewusst, aber er wollte, dass Brand sich erinnerte. Brands inbrünstige Liebe zu seiner jungen Ehefrau war monatelang Tagesgespräch in Vass gewesen – denn so lange hatten die Frischvermählten das Bett kaum verlassen.
    »Nein, eine Nacht hätte mir nicht gereicht«, sagte Brand, und seine Stimme verriet, wie bewegt er war. »Aber dir wird sie reichen müssen.«
    »Nein.«
    »Doch!«, sagte Brand bestimmt. »Denk einmal nach, Ivar! Wenn auch nur die geringste Gefahr besteht, dass Ari sich nicht getäuscht hat, darfst du auf keinen Fall das

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