Nachtkrieger
sich stöhnend in den Sattel. »Komm jetzt! Wir müssen uns beeilen.«
Reiten erwies sich als fast ebenso schmerzhaft wie Laufen, doch ungeachtet dessen kam man schneller voran. Also biss Brand die Zähne zusammen und klammerte sich an Krakens Mähne wie ein Kind, während die Pferde sich ihren Weg durch den Wald suchten.
Nachdem Brand ein wenig Atem geschöpft hatte, sagte Ivo: »Nicht weit entfernt bin ich auf ein totes Wildschwein gestoßen. Ist das dein Werk?«
»Aye«, antwortete Brand und schilderte in aller Kürze, was sich zugetragen hatte. »Die Frau in dem Cottage hat mich, so gut es ging, gewaschen, aber ich kann den Gestank von diesem Vieh selbst noch riechen. Ich glaube, er hat sich in meinem Bart festgesetzt.«
»Vielleicht wird es Zeit, auf den Bart zu verzichten.«
»Um auszusehen wie ein Normanne?«, fragte Brand verächtlich.
Ivo verdrehte die Augen und wechselte das Thema. »Bei der Kälte ist der Kadaver des Wildschweins sicher noch frisch. Wenn die Wölfe ihn nicht längst gefunden haben, kann Ari ihn ausnehmen. Dann bringen wir ihn heute Abend nach Alnwick.«
»Ich werde das Herz dieses Biests verschlingen«, gelobte Brand. Dann richtete er den Blick hinauf zum Himmel, wo ein goldener Streifen die Wolken in warmes Licht tauchte. »Lass mich hierbleiben und bring die Pferde in Sicherheit! Der Bär wird heute rasend sein vor Schmerzen.«
Ivo nickte zustimmend und sah sich nach einem Anhaltspunkt um. »Ich werde dich heute Abend abholen. Lauf bloß nicht davon!«
Als Brand vom Pferd stieg, trieb der Schmerz in seinem Bein ihm die Tränen in die Augen, und er musste die Luft anhalten. Er schüttelte sich und sah auf zu Ivo. »Ich werde es versuchen, aber der Bär macht ohnehin, was er will.«
Während Ivo mit den Pferden hinter den Bäumen verschwand, zog Brand mühsam die fremden Sachen aus und stopfte sie in einen hohlen Baumstamm, damit er sie Merewyns Mann später zurückbringen konnte. Unter einem umgestürzten Baum fand er einen passablen Unterschlupf und kroch hinein – in der Hoffnung, der Bär möge dort bleiben und schlafen. Er lag da, mit schmerzenden Wunden und zitternd vor Kälte, aber froh, dass er weit genug entfernt von Merewyns Cottage war, bis die Sonne am Horizont erschien und der andere Schmerz ihn überfiel und er ihn hinausschrie, einem graurosa Himmel entgegen.
Kapitel 12
N ach dem Mittagessen waren Alaida und ihre Frauen mit Näharbeiten beschäftigt. Alaida kochte. Am Abend zuvor war ihr Mann überhaupt nicht nach Hause gekommen – nicht einmal, um sie wie üblich zu ignorieren und die Nacht in der Halle zu verbringen. Sie hatte sich alle Mühe gegeben, nicht darüber nachzudenken, was das zu bedeuten hatte. Doch es fiel ihr schwer, denn obwohl sie versuchte, sich durch ihre Arbeit abzulenken, schweifte ihr Geist immer wieder ab. Darüber hinaus schienen die anderen Frauen an diesem Abend auch nicht besonders redselig.
So hatte sie Gelegenheit, sich den wildesten Vermutungen hinzugeben. Und je länger sie über das Ganze nachdachte, desto zorniger wurde sie. Sie konnte sich einfach nicht konzentrieren. Ihr unterliefen allerlei Fehler, und das machte sie umso zorniger. Beim dritten Versuch, ein Kleid zu säumen, erschien Oswald an der Tür.
Froh über die willkommene Abwechslung sah sie auf. »Ja, Oswald. Was gibt es denn?«, fragte sie lächelnd.
»Hat Lord Ivo möglicherweise erwähnt, dass er auf Reisen gehen wollte?«
Alaidas Lächeln erstarb. Sie stach die Nadel in den Saum und legte das Kleid weg. »Nein. Das hat er nicht. Ich dachte, er hätte Euch gesagt, was er vorhatte.«
Der Marschall schüttelte den Kopf. »Leider nicht, My Lady.«
»Aha. Nun, sicher haben My Lord und Sir Brand in einem anderen Dorf Quartier bezogen, weil sie zu weit von Alnwick entfernt waren.«
Und lieber herumhuren wollten,
fügte ihre innere Stimme ungefragt hinzu.
»Das dachte ich zunächst auch. Aber Sir Ari ist heute ebenfalls nicht erschienen.«
»Tatsächlich?« Angesichts dieser Enthüllung verstärkte Alaidas Argwohn sich nur noch weiter. In möglichst unbeteiligtem Ton sagte sie: »Mir ist ebenfalls aufgefallen, dass er nicht beim Mittagessen war, aber ich dachte, er ginge anderen Verpflichtungen nach.«
»Er hat nichts davon erwähnt. Und genau das ist es, was mir Sorge bereitet. Wenn Ihr erlaubt, würde ich gern einen oder zwei Reiter auf die Suche schicken.«
Nachdenklich betrachtete Alaida Oswalds sorgenvolle Miene. Er schien ernsthaft beunruhigt, und so
Weitere Kostenlose Bücher