Nachtkrieger
Das hast du«, sagte Ivo und dirigierte Fax durch das Dickicht, wo das Wildschwein darauf wartete, abtransportiert zu werden.
Auch beim Abendessen hielt Alaida vergeblich Ausschau nach Ivo und Brand. Abermals verstrich der Zeitpunkt, an dem die beiden üblicherweise heimkehrten, und so erteilte Alaida widerwillig die Anweisung, das Essen aufzutragen. Die Leute waren gerade dabei, ihre Bretter zu belegen, als die Tür aufflog und Tom hereinstürmte.
»Sie kommen, My Lady! Edric hat sie zwischen den Obstbäumen erspäht. Er sagt, sie bringen ein riesiges Stück Wild. Und einer der beiden scheint verletzt zu sein.«
Ohne auf eine Reaktion zu warten, rannte Tom wieder hinaus. Bevor Alaida selbst etwas unternehmen konnte, kam Oswald ihr zuvor und schickte nach ein paar Männern und einer Trage.
»Bôte«, rief Alaida. Doch auch ihre alte Amme war bereits damit beschäftigt, Anweisungen zu erteilen. Der ganze Haushalt war auf den Beinen, und die Abendmahlzeit schien vergessen. So blieb Alaida nichts anderes zu tun, als ebenfalls nach draußen zu eilen.
Das Tor wurde aufgerissen, und in der Dunkelheit zeichneten sich zwei Reiter ab. Ivos Pferd schien sich gehörig quälen zu müssen, doch als es näher kam, sah Alaida, dass es einen improvisierten Schlitten hinter sich herzog, auf dem ein großes Tier lag. Als Ivo mühelos vom Pferd sprang, atmete sie erleichtert auf. Sir Brand hingegen konnte sich kaum noch im Sattel halten, so dass Oswald ihm sogleich zu Hilfe kam und die Männer mit der Trage zur Eile antrieb.
»So schlimm ist es nicht«, brummte Brand. »Ich brauche nur jemanden, der mir vom Pferd hilft, und einen Becher gutes Bier.«
»Vorsicht mit seiner rechten Seite«, sagte Ivo, als Oswald Brand half, vom Pferd zu steigen.
Zunächst war Brand ein wenig unsicher auf den Beinen, doch dann straffte er die Schultern und schob Oswalds hilfreich ausgestreckte Hand zur Seite. »Ich sagte doch, es geht mir gut.«
»O ja, Ihr seht großartig aus!«, sagte Alaida. »Wenn es Euch tatsächlich so gutgeht, dann seid doch so freundlich,
mir
ins Haus zu helfen.« Sie hakte sich bei Brand unter, und die beiden setzten sich langsam in Bewegung. »Was ist geschehen?«
Brand wies mit dem Kopf auf den Wildkadaver. »Der Keiler dort hat mich an der Breitseite erwischt.«
»Ein Keiler!«
»Ein Riesenkeiler, My Lady«, rief Tom, der mit den anderen Männern um das Wildschwein herumstand. »Davon können wir tagelang essen.«
»Aye. Und Brand hat ihn mit bloßen Händen und einem abgebrochenen Ast erlegt«, sagte Ivo und erntete damit schmerzverzerrtes Gelächter von Brand sowie bewundernde Ausrufe der anderen Männer. Er ging neben Alaida her und rief den Männern zu: »Bestellt den Fleischer her und sagt dem Koch, Sir Brand wünscht das Herz des Wildschweins morgen zum Abendessen zu verspeisen.«
Brand warf einen Blick in Bôtes behelfsmäßig eingerichtetes Krankenzimmer und lehnte kopfschüttelnd ab. »Ich brauche kein Bett. Ein solider Stuhl wäre besser.«
Ivo trug den Stuhl des Grundherrn herbei und stellte ihn vor die Feuerstelle. »Hier. Setz dich.«
Vorsichtig ließ Brand sich nieder. »Ahh. Immerhin etwas mit festen Beinen. Zuvor ist mir nie aufgefallen, wie oft mein Pferd stolpert.«
»Vielleicht wart Ihr dem Pferd zuvor auch keine so unstetige Last,
Messire
«, gab Alaida zu bedenken. »Wo genau habt Ihr Euch verletzt?«
»Am Oberschenkel und am Arm, aber hier ist es besonders schlimm«, antwortete Brand und wies auf seine rechte Hüfte.
Bôte hob sein Hemd hoch und zog ihm die Hose so weit hinunter, bis die Wunde zu sehen war. Obwohl sie genäht und mit Heilkräutern behandelt worden war, sah man deutlich, dass sie etwa eine Handbreit lang und zwei Finger tief war.
»Wer hat die Wunde genäht?«, fragte Alaida.
»Eine Frau im Wald. Sie sagte, ihr Name sei Merewyn.«
»Gut. Bei ihr wart Ihr besser aufgehoben, als Ihr es bei uns gewesen wäret. Wahrscheinlich hätte auch ich nach ihr geschickt.«
»Gut zu wissen«, sagte Brand und zuckte zusammen, als Bôte mit einem ihrer fleischigen Finger die Ränder der Wunde abtastete. »Sachte, Alte!«
Prüfend betastete Bôte zwei weitere Stellen. Dann legte sie ihre flache Hand auf die Wunde. »Keine Entzündung. Ihr habt Glück gehabt, Ritter, dass das Schicksal Euch zu Merewyn geführt hat.«
»Aye. Sie hat ihre Sache gut gemacht.«
Alaida sah Bôte über die Schuler und betrachtete ebenfalls prüfend Brands Verletzung. Sie zeigte auf eine Stelle und
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